Der hartnäckigste Mythos der Social-Media-Geschichte

Der hartnäckigste Mythos der Social-Media-Geschichte 

„Meine Kunden sind nicht in Social Media!“ – Als ich vor wenigen Tagen diese Behauptung als Argument gegen eigene unternehmerische Aktivitäten in sozialen Netzwerken las, habe ich ganz schön gestaunt. Wie ich übrigens seit ungefähr 2007 jedes Mal staune, wenn ich so etwas mal wieder wortgleich lese oder höre.

Doch je mehr die Zeit voranschreitet, desto überholter ist dieser Mythos – der aber offenbar zu den hartnäckigsten in Sachen Social Media überhaupt gehört. Stereotyp wird er selbst von solchen Menschen wiederholt, die es eigentlich besser wissen müssten. Daher lohnt es sich offensichtlich, doch noch einmal ausführlich auf das Thema einzugehen.

Warum es sich lohnt, die Behauptung zu hinterfragen

Nun muss ja niemand in sozialen Netzwerken für das eigene Unternehmen werben und aktiv netzwerken. Aber es ist schade, wenn Unternehmer*innen und Entscheider aus Unwissen die vorhandenen Potentiale nicht nutzen. Nicht zuletzt bekommen dadurch wertvolle Angebote und Produkte nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen – und diejenigen, die sie brauchen könnten, erfahren oft nicht davon.

Hier sind sieben Argumente, um mit dem hartnäckigen Mythos ein für allemal aufzuräumen:

1. „Woher weißt du das überhaupt?“

Wer selbst nicht in Social Media aktiv ist und dann behauptet, die Kunden wären auch nicht dort, schafft damit einen Zirkelbeweis. Wo man selbst nicht hinschaut, kann man natürlich auch nichts sehen. Das ist übrigens so ähnlich wie bei der (tatsächlich!) bis heute (!) oft wiederholten Behauptung, man brauche keine mobile Website, weil die Kunden die eigene Website ohnehin nur auf dem Desktop ansähen. Beweisen könne man das mit den Analysedaten der (nicht mobiltauglichen!) Website. Ja, Kunststück, oder?

2. Social Media ist viel mehr als nur direkte Kunden

Wer bei eigenen Aktivitäten in Sachen Social-Media-Marketing, Content-Marketing, Community-Building, Netzwerkaufbau (…) nur immer auf die direkten Kunden schielt und zielt, greift viel zu kurz. Jeder Netzwerk-Kontakt bildet eine potentielle Schnittstelle in weitere Netzwerke und Communitys. Empfehler haben Zugang zu Menschen, die selbst in dem einen oder anderen Netzwerk nicht präsent sind.

3. Social Media ist viel mehr als Werbung

Natürlich ergibt es keinen Sinn, Anzeigen für eine direkte Kundenzielgruppe auf Facebook oder Instagram zu schalten, wenn die Analyse und das Listening (die Sie ja hoffentlich gründlich vorgenommen haben!), ergeben, dass diese Zielgruppe dort nicht vorhanden sind.

Doch das heißt ja nicht dass es keinen Sinn ergäbe, hier als Unternehmen, als Corporate Influencer oder auch als Solopreneur*in präsent zu sein, um Sichtbarkeit und Reichweite zu erzielen und das eigene Netzwerk auszubauen – siehe auch voriger Punkt. Und nicht zuletzt geht es ja in den Social-Media-Aktivitäten auch darum, das eigene Wissen zu vermehren, von aktuellen Entwicklungen zu erfahren, mit Gleichgesinnten zu diskutieren, aber auch selbst Lieferanten und Dienstleister zu finden und kennenzulernen.

4. Die Kunden sind nicht abwesend. Die gehen vielleicht nur in Deckung.

Persönliche Profile in sozialen Netzwerken sind ohnehin keine Vertriebskanäle. Wer es hier mit plumper Akquise versucht, kann allerdings schnell den Eindruck gewinnen, dass über Social Media keine Kunden zu gewinnen wären. Aber nicht, weil hier keine potentiellen Kund*innen aktiv wären. Sondern weil diese schnelle in Deckung gehen als Sie bei der nächsten nervigen Nachfrage per Privatnachricht auf „Absenden“ klicken können.

5. Social Media ist viel mehr als die großen sozialen Netzwerke

Dass jemand nicht aktiv ein LinkedIn-Profil betreibt, nicht sichtbar auf Facebook postet und nicht täglich fünf Tweets absetzt, bedeutet keineswegs, dass der oder die Betreffende nicht doch mitliest, hier Informationen bezieht, das eigene Wissen vermehrt und sich auch über Anbieter schlau macht.

Gerade die stillen Mitleser*innen sind oft schwer zu finden – aber unter ihnen sind Menschen jeglicher Branche und Entscheider- beziehungsweise Käuferebene. Unterschätzen Sie nicht deren Potential.

Hinzu kommt: Auch selbst organisierte Mikro-Netzwerke in Messengern sind kleine soziale Netzwerke, in denen Empfehlungen, die Weitergabe von interessanten Links sowie auch die direkte Kommunikation mit möglichen Anbieter*innen eine immer größere Rolle spielen. Ich möchte einmal behaupten, dass es wirklich nur noch sehr wenige Menschen gibt, die überhaupt keine Messenger und keine digitalen Medien nutzen. Das gilt auch für diejenigen, die sich ansonsten selbst als wenig digitalaffin bezeichnen würden, für Facebook nichts übrig haben und noch nie selbst auf Instagram oder gar TikTok geschaut haben.

6. Noch irgendjemand ohne Suchmaschine?

Einmal abgesehen von Anzeigen aus sozialen Netzwerken auf anderen Seiten im Internet, etwa Nachrichten: Es gibt keine Trennung zwischen „dem Internet“ und „den sozialen Netzwerken“. Eine ganz normale Suche in Google oder einer anderen Suchmaschine wirft Ergebnisse aus den verschiedensten sozialen Netzwerken aus. Die Fundstellen sind oft auch ohne eigenen Account zugänglich.
Und schließlich: Auch Bewertungen in oder aus Social Media sind selbst den wenig Digitalerfahrenen längst ein Begriff. Wer aber dafür sorgen will, dass das (hoffentlich!) positive Bild des eigenen Unternehmens sich auch in Bewertungen, etwa in Google-MyBusiness-Einträgen oder einschlägigen Branchenportalen niederschlägt, kommt um den nachhaltigen Aufbau eines digitalen Netzwerks gar nicht herum.

7. Krisenfestigkeit braucht Netzwerke

Übrigens: Wer sich selbst in Social Media zurückhält, wird wenig darüber erfahren, wie über die eigene Marke gesprochen wird. Bahnt sich eine Krise an oder setzt jemand falsche Behauptung in die Welt, erfährt der- oder diejenige im Zweifel zu spät davon. Ist dann nicht gut genug vernetzt um gegenzusteuern. Und wird vielleicht feststellen, dass sich die nicht so angenehmen Botschaften auf eigenartige Weise selbst in Kundenzielgruppen verbreiten, die angeblich noch nie ein soziales Netzwerk von innen gesehen haben.

Insofern erfordert verantwortungsbewusstes, umfassendes unternehmerisches Handeln immer auch, dass soziale Netzwerke einbezogen werden. Wie das genau aussieht, was zu tun ist – und wie Sie letztlich Ihre Kunden erreichen, das ist dann immer eine Frage der individuellen Strategie.

Überzeugt? Noch Fragen? Widerspruch? Oder haben Sie sogar noch weitere Punkte und Argumente? Ich freue mich, wenn Sie sich zu Wort melden.

Dr. Kerstin Hoffmann
1 Kommentar
  1. Henrik Bortels sagte:

    Soweit die aktiven Argumente. Alles korrekt. Wichtig ist meines Erachtens der passive Aspekt sozialer Medien und Netzwerke. Wer dort nicht aktiv ist, erkennt auch kein Lob und keine Kritik, die Nutzer:innen auf externen Seiten hinterlassen. Zur Grundausstattung gehört deshalb ein Suchauftrag bei Google mit automatischer Benachrichtigung, wenn der eigene Name oder der Firmenname erwähnt werden.

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