Corporate Influencer Casting

Wie castet man Corporate Influencer?

 

Corporate Influencer Casting

Das Unternehmen soll ein Corporate-Influencer-Programm bekommen. Dazu braucht man Mitwirkende. Wie findet man sie? Welche verschiedenen Optionen gibt es? An welchem Punkt der Planung sollten sie feststehen? Welche Kriterien sind für den Erfolg entscheidend? Und was tut man eigentlich, wenn sich niemand bereiterklärt mitzumachen? 

Was ist das Wichtigste an einem Corporate-Influencer-Programm? Die Menschen, die daran mitwirken. Eine der ersten Fragen zum Einstieg lautet eigentlich immer: Wie finden wir die passenden Mitwirkenden? Das gilt selbst dann, wenn es im Unternehmen oder in der Organisation bereits viele sichtbare Personen gibt, die beispielsweise auf LinkedIn oder Twitter aktiv sind. Denn immer  bedeutet es für diese eine Umstellung, wenn diese Teil eines regelrechten Programms werden.

Was zum Start erfolgsentscheidend ist

Zudem gilt es zu entscheiden, wie viele Teilnehmende beispielsweise ein erstes Pilotprojekt haben soll. Hier ergibt es keinesfalls Sinn, sich nur auf diejenigen zu fokussieren, die bereits digital sehr erfahren sind. Wenn Sie dies als Verantwortliche und Planende tun, lernen Sie nämlich nur wenig darüber, was Sie für einen größeren Rollout in weiteren Phasen an eine heterogene Gruppe von Unternehmensangehörigen brauchen.

Auch sind keinesfalls alle diejenigen, die schon als Mitarbeiter-Markenbotschafter aktiv sind, bereit, sich in ein organisiertes Programm einzubringen. Manche scheuen den Zeitaufwand. Andere sehen bei sich selbst keinen Lern- und Austauschbedarf. Wieder andere befürchten sogar, dass sie dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt oder gar stärker als bisher überwacht würden.

Daher ist es sehr wichtig, sowohl im Vorfeld als auch in allen weiteren Phasen offen und transparent in das gesamte Unternehmen hinein zu kommunizieren, also nicht nur an die unmittelbar Beteiligten. Wie umfangreich und detailliert dies geschieht, hängt allerdings von vielen Faktoren ab. Dazu gehören beispielsweise die Größe des Unternehmens sowie die Form und der geplante Umfang des Programms.

Terminologie: Markenbotschafter, Corporate Influencer, Brand Ambassador …

In seiner jetzigen Ausprägung ist das Thema Corporate Influencer/Mitarbeiter-Markenbotschafter immer noch so neu, dass es keine einheitliche Terminologie gibt.

Allgemein setzt sich meiner Wahrnehmung nach immer mehr ein Begriffsverständnis durch, dass alle Mitarbeitenden in dem Moment als Markenbotschafter:innen wahrgenommen werden, sobald sie als Unternehmensangehörige erkennbar sind. Dies sagt noch nichts über ihr eigenes Bewusstsein dieser Rolle, über Bewusstsein und Unterstützung seitens des Unternehmens aus und auch nicht darüber, wie gut sie diese Rolle ausfüllen.

Der Begriff Corporate Influencer setzt dagegen aus meiner Sicht eine Intention voraus. Mitarbeitende engagieren sich bewusst mit vorwiegend beruflichen Inhalten, zu denen natürlich auch Eigenberufliches und Persönliches gehört, als Botschafterinnen und Botschafter des Arbeitgebers. Ob sie nur als Corporate Influencer zu bezeichnen sind, wenn sie offiziell bestellt beziehungsweise Teil eines Programms sind, dies kann durchaus unterschiedlich gesehen werden.

Darüber hinaus werden in unterschiedlichen Programmen auch noch weitere Bezeichnungen verwendet. Beispielsweise Social-Media-Botschafter, Brand Ambassadors oder auch kreative Eigenkreationen der Programm-Initiierenden. Oft heißen diejenigen, die an einem umfangreichen Programm teilnehmen, „Markenbotschafter:innen“. Das kann sogar daran liegen, dass in bestimmten Branchen eine gewisse Abwehr gegen Marketing-Denglisch vorhanden ist.

Letztlich sind Bezeichnungen sekundär. Es kommt aber darauf an, vorab die Begriffe zu klären. So stellen Sie sicher, dass die Beteiligten, Ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, aber auch Außenstehende das Gleiche meinen und verstehen wie Sie.

Varianten der Corporate-Influencer-Gewinnung

„Casting“, das klingt natürlich so, als würden sich viele Menschen auf etwas bewerben, von denen dann wenige ausgewählt werden – wie etwa bei der Besetzung eines Films oder einer Fernsehserie. Ich betrachte es lieber umgekehrt: Als die für das Programm Verantwortlichen stellen Sie möglichst zielgruppengerecht ein interessantes Programm vor, von dem sowohl das Unternehmen als auch die einzelnen Persönlichkeiten profitieren. Dadurch gelingt es Ihnen, wirklich motivierte Mitwirkende zu gewinnen, von denen Sie lernen und mit denen gemeinsam Sie das Programm weiterentwickeln.

Ich würde es sogar als den schlechtestmöglichen Start bezeichnen, wenn Sie viele Menschen im Unternehmen für das Programm interessieren, von denen aber dann nur wenige mitmachen können – weil es die Ressourcen nicht anders erlauben. Daher sollten Sie sich im Vorfeld ganz genau überlegen, bei wem und in welchem Umfang Sie sich intern mit Ihrem neuen Angebot für die Mitarbeitenden bewerben.

Allgemeiner Aufruf

Ob sich ein allgemeiner Aufruf in das Unternehmen hinein empfiehlt, hängt von vielen Faktoren ab: Unternehmensgröße und -struktur. Art und Ausprägung des Programms. Ressourcen für das Programm und bei den daran Mitwirkenden. Unternehmenskultur und damit auch der Grad der bereits vorhandenen Bewusstheit im Unternehmen.

Handelt es sich bei dem Arbeitgeber beispielsweise um ein mittelständisches Unternehmen in der Digitalbranche, in der alle Mitarbeitenden bereits aktiv in sozialen Netzwerken unterwegs sind, braucht man womöglich nicht mehr zu viel zu erklären. Ansonsten erfordert ein allgemeiner Aufruf, gerade in größeren Unternehmen, unter anderem eine vorherige Absprache mit Führungskräften, Betriebsrat, Datenschützern und etlichen weiteren.

Sie sollten als Initiator:innen dann auch sehr umfangreich über das Projekt informieren, damit alle die gleichen Chancen haben, über eine Teilnahme zu entscheiden. Gerade bei sehr heterogenen Belegschaften riskieren Sie dennoch, dass ganze Berufsgruppen im Unternehmen die Informationen womöglich nicht erhalten oder dass sie bei diesen nicht zielgruppengerecht ankommen. Sprich: Es kann passieren, dass Sie sich zwar bei den Teilnehmenden eine annähernd repräsentative Auswahl aus allen Unternehmensbereichen wünschen. Dass sich aber vor allem diejenigen melden, die bereits Wissen zu dem Thema haben. Sie wollen aber auch andere gewinnen – siehe „Kriterien für die Auswahl“.

Auch sollten Sie zuvor genau analysieren, wer womöglich Skepsis oder Widerstand entwickelt, weil er oder sie sich vorher nicht gefragt fühlte. Ein Beispiel wäre die Leiterin einer Unternehmenseinheit, die befürchtet, dass nun alle ihre Mitarbeitenden sich melden und fortan einen Gutteil ihrer Arbeitszeit mit Social-Media-Aktivitäten verbringen statt mit ihren eigentlichen Aufgaben.

Schließlich, siehe oben: Es ist eben auch ein Ressourcenthema. Wie viele können Sie überhaupt in das Programm aufnehmen? Das hängt auch von dessen Form ab. Wenn Sie mit einer relativ kleinen Pilotgruppe sehr intensiv arbeiten wollen, dann ist die Zahl der Teilnehmenden von Anfang an begrenzt. Womöglich wollen Sie auch in mehreren Phasen weitere Beteiligte onboarden.

Oder Sie entscheiden sich zunächst für eine breit aufgestellte „Jeder ist ein Markenbotschafter“-Kultur, deren Angebote für alle im Unternehmen zugänglich sind. Dann können und sollten Sie natürlich auch von Anfang an die gesamte Belegschaft informieren.

Aufruf in einem bestimmten Unternehmensbereich

Um Erfahrungen mit Corporate Influencern zu sammeln, kann man auch eine Pilotstrategie in einem einzelnen Unternehmensbereich initiieren. Ich habe dies beispielsweise in einem meiner Projekte mit einer Vertriebsdivision innerhalb einer Unternehmensgruppe realisiert. Der Vorteil ist hier, dass es ein begrenztes Setup gibt, das modellhaft für das Gesamtunternehmen oder den Konzern steht, so dass man auch – was etwa Mitbestimmung oder rechtliche Aspekte betrifft – nur diesen Teilbereich erschließen muss. Gerade in größeren Zusammenhängen bleibt so viel Aufmerksamkeit für das eigentliche Projekt frei, statt dass man sich bereits zum Start mit Hierarchien, Administrativem sowie der mit wachsender Größe steigenden Gefahr befassen muss, dass irgendjemand sich übergangen und nicht gefragt fühlt.

Ob man in dieser Einheit im Unternehmen dann einen allgemeinen Aufruf startet oder gezielt einzelne Personen anspricht, hängt dann von etlichen weiteren Parametern ab.

Gezielte Ansprache einzelner Personen

In den meisten Programmen, an denen ich bisher mitgewirkt habe, hatten die Initiatoren und Verantwortlichen bereits ziemlich zu Beginn der Erarbeitung klare Vorstellungen, wen sie wie gewinnen wollten. Selbst in größeren Konzernen kennen die Kommunikations- oder/und HR-Verantwortlichen bereits diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sie für besonders geeignet halten.

Je nach gewünschter Zusammensetzung der Pilotgruppe – siehe auch: „Kriterien für die Auswahl“ – lohnt es sich dann noch einmal zu analysieren, welche idealtypischen Persönlichkeiten gezielt angesprochen werden sollen.

Was jedoch nicht erlaubt ist: Social Media von Mitarbeitenden gezielt zu durchsuchen, zu analysieren oder gar die einzelnen Accounts zu monitoren, um besonders geeignete Kandidaten und Kandidatinnen zu finden. Tappen Sie also bitte nicht in die Profiling-Falle!

Mischformen

Keineswegs müssen Sie sich von Anfang an und für alle Zeiten für eine Form der Teilnehmergewinnung entscheiden. Eine klare Ausrichtung, zusammen mit einer dezidierten Planung, sollte vorhanden sein. Aber je nach Resonanz wollen und sollten Sie womöglich nachbessern oder Ihre Vorgehensweise nochmals überarbeiten.

Typische, von Anfang an geplante Mischformen sind:

Die Geschäftsleitung, der Social CEO sowie weitere Führungspersonen sind auf jeden Fall Teil des Programms. Weitere werden per Aufruf oder durch gezielte Ansprache gewonnen.

Oder: Es erfolgt ein allgemeiner Aufruf, aber einzelne Protagonistinnen und Protagonisten werden zusätzlich noch einmal gezielt einzeln angesprochen.

Oder: Zum Aufruf in einer bestimmten Unternehmenseinheit kommt die Ansprache Einzelner aus anderen Bereichen hinzu.

Kriterien für die Auswahl

Größe, Art und Ausprägung Ihres Corporate-Influencer-Programms bestimmen ebenso über die Kriterien für die Auswahl wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Eigentlich sollte es das Ziel jeglichen Corporate-Influencer-Programms sein, dass es irgendwann als selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur in dieser aufgeht. Daher will man vom ersten Pilotprojekt an dazulernen, was die Mitarbeitenden brauchen, um sich als Corporate Influencer zu engagieren.

Aber ebenso will man lernen, was diejenigen Mitarbeitenden brauchen, die vielleicht niemals aktiv an einem dezidierten Programm teilnehmen – die aber natürlich dennoch über digitale Medien kommunizieren und als Markenbotschafter wahrgenommen werden, sobald sie als Unternehmensangehörige erkennbar sind. So wirkt sich jedes Markenbotschafter-Programm zwangsläufig auf viele andere Bereiche aus, etwa auf die Social-Media-Guidelines, um nur ein Beispiel zu nennen.

Deswegen empfiehlt sich eine Zusammensetzung der Pilotgruppe beziehungsweise der Gruppe derjenigen, die am Projekt teilnehmen, die die Heterogenität der Belegschaft abbildet. Meiner Erfahrung nach sind die Ergebnisse und Erkenntnisse aus einem Corporate-Influencer-Pilotprojekt gerade dann am wertvollsten für den weiteren Rollout, wenn über alle Berufsgruppen hinweg auch solche Personen daran teilnehmen, für die sich die berufliche Social-Media-Nutzung, die Erarbeitung ihrer eigenen Rolle sowie der Schritt in eine (Teil-)Öffentlichkeit noch ganz neu sind.

Was, wenn sich keiner findet?

Eine häufige Befürchtung: Es soll ein Corporate-Influencer-Programm aufgesetzt werden. Doch was tut man, falls sich niemand zur Teilnahme meldet? Ich halte diese Angst in den allermeisten Fällen für unbegründet. Jedenfalls dann, wenn man sich zuvor eingehende Gedanken über die internen Zielgruppen und die passende Nutzen-Argumentation macht.

Ich habe eine solche Situation in nunmehr über zehn Jahren, in denen ich Corporate-Influencer-Projekte konzipiere und begleite, noch nie erlebt.

Wer erst beim allgemeinen Aufruf feststellt, dass dieser ins Leere läuft, hat womöglich schon von Anfang an nicht gut geplant. Was ich allerdings erlebt habe: Dass sich Vorstand und Geschäftsleitung nicht persönlich einbringen wollen, weil sie den Sinn einer eigenen digitalen Präsenz nicht einsehen. Manchmal lohnt es sich, hier intensive Überzeugungsarbeit zu leisten. Manchmal muss man – auch wenn das nicht der Idealfall ist – pragmatisch vorgehen und erst einmal mit dem starten, was momentan möglich ist. Auch wenn der oder die CEO zunächst skeptisch ist.

Oft überzeugen die Betreffenden sich nach einer Weile selbst anhand des Projektes, oder sie wollen nicht länger zurückbleiben, wo ihre Mitarbeitenden längst ganz vorne stehen. In anderen Fällen hat man dann wenigstens ein solide aufgesetztes Programm, an dem viele andere Köpfe aus dem Unternehmen mitwirken. Alles Weitere obliegt der individuellen Betrachtung, die mit dem Naturell und den Vorlieben der Persönlichkeiten steht und fällt. Hier kann man keine allgemeingültigen Aussagen treffen.

In welcher Phase beginnen wir mit dem Casting?

Die Frage, wann die Betreffenden informiert, überzeugt und in das Programm aufgenommen werden, ist ein wenig eine Henne-Ei-Frage. Denn natürlich müssen vorher bestimmte Eckpunkte geklärt sein, nicht zuletzt die Ressourcen für Durchführung, interne Planung und Begleitung sowie externe Beratung. Andererseits entwickelt sich das Projekt ja auch weiter, je nachdem, wer teilnimmt.

Bevor man Einzelne anspricht, muss man vielleicht mit dem Betriebsrat oder deren Vorgesetzten sprechen. Andererseits ist in diesem Moment das Thema auch in der Welt. Wartet man dann zu lange mit der allgemeinen Information, dann öffnet man dem Flurfunk darüber Tür und Tor. Transparenz sollte daher von Anfang an oberstes Gebot sein. Gerüchte entstehen nur dort, wo zu lange hinter verschlossenen Türen über Neues verhandelt wird

Es ist also eine diplomatisch nicht ganz banale Angelegenheit, wie das Thema schrittweise im Unternehmen adressiert wird und an welchem Punkt die Teilnehmenden gewonnen werden sollen. Dies gilt es daher gleich zu Beginn zu betrachten und zu planen. Damit die Gewinnung von Mitarbeiter-Markenbotschaftern/Corporate Influencern gleich von Anfang an rund läuft, und zwar zum Nutzen aller Beteiligten.

Dr. Kerstin Hoffmann