Corporate Influencer in der Krise: Risikofaktor oder Rettungsleine?
Unternehmenskrisen, Krisenprävention, Krisenkommunikation: Warum spielen die Menschen im Unternehmen hier eine größere Rolle als je zuvor? Was ist zu bedenken? Was können und sollten Entscheider tun, damit ihre Mitarbeiter-Markenbotschafter im Fall der Fälle zu rettenden Ankern werden – und nicht zu Risikofaktoren?
Inhaltsverzeichnis
Ein Unternehmen muss kein Störfallbetrieb sein, um unverhofft in eine Krise zu geraten. Das kann jederzeit passieren, auch unverschuldet – sowohl aufgrund äußerer Umstände, also als reale Krise, oder als Kommunikationskrise. Oder beides. Daher braucht jede Organisation ein Konzept für die Krisenkommunikation. Denn ist der Ernstfall erst einmal da, bleibt keine Zeit, erst Abstimmungswege zu klären und über Medien nachzudenken. In einer solchen Lage sind präventive Maßnahmen und schnelle, klare Kommunikation entscheidend. Konzepte dafür zu entwickeln gehört seit jeher zu meiner Arbeit. Es gehört auch dazu zu warnen, wenn solche Prävention – was tatsächlich immer noch in viel zu vielen Unternehmen der Fall ist – nicht geschieht.
Doch in den letzten Jahren ist mehr und mehr ein entscheidender Faktor mit in den Blick geraten: die beteiligten Menschen, und zwar in allen Unternehmensbereichen und auf allen Ebenen. Welche Rolle spielen Mitarbeiter-Markenbotschafter? Worauf kommt es in der Krisenprävention und -kommunikation an, wenn Corporate Influencer beteiligt sind? Und welche Bedeutung hat dabei das sichtbare Engagement von Führungskräften?
Krise vs. Kommunikationskrise vs. Krisenkommunikation
Zunächst ein paar Worte zu den Begriffen. Unternehmenskrisen und Kommunikationskrisen werden oft synonym verwendet, dabei handelt es sich zunächst einmal um unterschiedliche Phänomene. Doch eine Krise kann eine Kommunikationskrise nach sich ziehen. Und eine Kommunikationskrise, zu der beispielsweise auch der Shitstorm gehört, kann zu einer manifesten Unternehmenskrise führen. Beide Risiken kann man nie ganz vermeiden. Aber eine sorgfältige Krisenprävention und ein ebenso fundiertes wie praxisnahes Konzept für die Krisenkommunikation helfen bei der Schadensbegrenzung. Oder sorgen sogar dafür, dass der worst case nie eintritt.
Was ist eine Krise?
Eine Krise kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden:
Externe Auslöser: Externe Auslöser wie Naturkatastrophen, politische Unruhen, wirtschaftliche Veränderungen oder auch Cyberangriffe können ein Unternehmen unvorbereitet treffen. Diese Ereignisse sind oft nicht kontrollierbar. Auch wenn in der Branche, im Umfeld, bei Wettbewerbern oder Zulieferern etwas schiefläuft, kann dies weitere Kreise ziehen.
Interne Auslöser: Interne Probleme wie Managementfehler, Misswirtschaft, Produktionsausfälle oder Sicherheitsvorfälle können ebenfalls zu einer Krise führen. Diese internen Auslöser sind oft vermeidbar, wenn entsprechende Vorsichtsmaßnahmen und Qualitätskontrollen etabliert sind. Aber nicht immer: Fehler geschehen, und der Versuch, alle Fehler zu vermeiden kann nur scheitern, vor allem lähmt eine solche Haltung.
Was ist eine Kommunikationskrise?
Eine Kommunikationskrise entsteht, wenn ein Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung negativ auffällt, oft verschärft durch mediale Berichterstattung und soziale Medien.
Externe Auslöser: Medienberichte, Fakenews oder negative Social Media-Kampagnen können die öffentliche Meinung schnell gegen ein Unternehmen wenden. Selbst eine Fehlfunktion in einem sozialen Netzwerk kann aus dem Ruder laufen, ohne dass die User – Personen oder Unternehmen – direkt etwas unternehmen könnten. Hier ist eine schnelle und transparente Kommunikation entscheidend, um die Kontrolle über die Narrative zurückzugewinnen.
Interne Auslöser: Interne Fehltritte wie unzureichende Kommunikation, Missverständnisse oder unangemessene Reaktionen auf Vorfälle können ebenfalls zu einer Kommunikationskrise führen. In solchen Fällen ist es wichtig, dass das Unternehmen Verantwortung übernimmt und glaubwürdige Schritte zur Lösung des Problems aufzeigt.
Wenn aus der Krise eine Kommunikationskrise wird – und umgekehrt
Eine Unternehmenskrise kann schnell zu einer Kommunikationskrise eskalieren, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, adäquat und zeitnah zu kommunizieren. Beispielsweise kann ein Produktionsausfall, der zunächst nur interne Auswirkungen hat, durch mangelnde Transparenz und verzögerte Reaktionen in den Medien und sozialen Netzwerken aufgebauscht werden. Spekulationen und Gerüchte entstehen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Kunden untergraben. Ohne eine klare und einheitliche Kommunikation können widersprüchliche Informationen verbreitet werden, die die Glaubwürdigkeit des Unternehmens weiter beschädigen und die Krise verschärfen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die schnelle Reaktion. Verzögerungen oder unzureichende Reaktionen können Spekulationen und Gerüchte fördern, die das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Kunden untergraben.
Auf der anderen Seite kann eine Kommunikationskrise, wie ein Shitstorm oder negative Berichterstattung, schnell zu einer umfassenderen Unternehmenskrise führen. Wenn das Unternehmen nicht angemessen und im passenden Ton auf die Dynamiken reagiert, kann dies zu einem erheblichen Reputationsverlust führen. Dieser Reputationsverlust kann beispielsweise dafür sorgen, dass Kunden sich abwenden, dass Verkaufszahlen sinken oder dass und Investoren das Vertrauen verlieren. Die Mitarbeiter können ebenfalls demotiviert werden, was die interne Unternehmenskultur beeinträchtigt und die Krisensituation weiter verschärft.
Was gehört zu einem guten Konzept für die Krisenkommunikation?
Die beste Krisenkommunikation ist die, die nie gebraucht wird, weil präventive Maßnahmen greifen. Hier einige Eckpunkte für eine umfassende Prävention:
Regelmäßige Krisensimulationen: Unternehmen sollten regelmäßig Krisensimulationen durchführen, um ihre Kommunikationsstrategie unter Praxisbedingungen zu testen. Diese Übungen helfen, Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben, bevor eine echte Krise eintritt – oder sie sorgen sogar dafür, dass sie nie eintritt. .
Krisenkommunikationsteam: Ein dediziertes Krisenkommunikationsteam sollte jederzeit einsatzbereit sein. Dieses Team muss über die notwendigen Ressourcen und das Know-how verfügen, um schnell und effektiv zu reagieren.
Klare Kommunikationsprotokolle: Kommunikationsprotokolle legen fest, wie Informationen gesammelt, bewertet und verbreitet werden. Sie sorgen dafür, dass alle Beteiligten im Ernstfall wissen, was zu tun ist und wie sie kommunizieren sollen.
Schulung der Mitarbeiter: Regelmäßige Schulungen und Workshops stellen sicher, dass alle Mitarbeiter auf eine Krise vorbereitet sind. Diese Schulungen sollten sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Übungen umfassen.
Alarmierungssysteme: Ein effektives Alarmierungssystem ermöglicht es, schnell auf eine Krise zu reagieren und alle relevanten Stakeholder zu informieren. Solche Systeme sollten regelmäßig getestet und aktualisiert werden.
Corporate Influencer: Gut vernetzte Schnittstellen in die Öffentlichkeit
In der heutigen digitalen Welt haben sich die Dynamiken immer noch weiter verstärkt. Eine Vrlautbarungskommunikation ist längst von gestern. Unternehmen müssen auf Echtzeitkommunikation, eine überwältigende Informationsflut und die Verbreitung von Fakenews vorbereitet sein. Doch vor allem auf die Menschen kommt es an – die Menschen im Unternehmen, aber eben auch die auf der anderen Seite der Krise: Meinungsbildner, Mitdiskutierende, Informationsempfänger, Betroffene, weitere Stakeholder.
Corporate Influencer, also Mitarbeiter, die als Markenbotschafter fungieren, sind ein wertvolles Gut in der Krisenkommunikation. Sie sind gut vernetzt, glaubwürdig und können schnell und authentisch kommunizieren. Sie haben persönlichen Zugang in ihre eigenen Netzwerke und Communitys, wo die offiziellen Kanäle der Unternehmenskommunikation nicht hineinreichen.
Corporate Influencer spielen also in allen Szenarien eine entscheidende Rolle. Sie können dazu beitragen, dass eine Unternehmenskrise nicht zu einer Kommunikationskrise wird, wenn sie schnell, transparent und einheitlich kommunizieren. Ebenso können sie verhindern, dass eine Kommunikationskrise zu einer Unternehmenskrise eskaliert, indem sie aktiv, ehrlich und im Dialog mit der Öffentlichkeit und den Kunden agieren. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen Unternehmen jedoch sicherstellen, dass ihre Corporate Influencer gut vorbereitet und in die Krisenkommunikationsstrategien eingebunden sind.
Präventive Rolle der Corporate Influencer
Corporate Influencer stärken das Unternehmensimage und bauen Vertrauen auf, bevor eine Krise überhaupt entsteht. Im Krisenfall stellt dieses Vertrauen eine entscheidende Basis für die gesamte Kommunikation zu allen Stakeholdern dar. Daher sollte die Abstimmung mit den Corporate Influencern ein integraler Bestandteil der Krisenkommunikationsstrategie sein. Sie müssen regelmäßig geschult, informiert und eingebunden werden, um im Ernstfall effektiv handeln zu können.
Corporate Influencer in der Krise
In der Krise sind Corporate Influencer die ersten, die die Botschaften des Unternehmens authentisch und glaubwürdig verbreiten können. Ihre Nähe zu den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit macht sie zu wichtigen Vermittlern, die helfen, die Wogen zu glätten und das Vertrauen wiederherzustellen.
Sichtbare Mitarbeitende als Risikofaktor in der Krise und in der Krisenkommunikation?
Gut vernetzte Mitarbeitende mit großer Reichweite, etwa in sozialen Netzwerken können in der Krisenkommunikation zu einem Risikofaktor werden, wenn sie nicht angemessen vorbereitet sind. Sind sie nicht in das Konzept für die Krisenkommunikation eingeweiht und eingebunden, könnten sie versehentlich falsche oder widersprüchliche Informationen verbreiten. Dies kann die Krise verschärfen und das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Kunden weiter untergraben. Darüber hinaus können überforderte oder emotional reagierende Influencer unbedachte Aussagen machen, die die Situation eskalieren lassen und die Glaubwürdigkeit des Unternehmens beeinträchtigen.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Mitarbeitende persönliche Meinungen oder unbestätigte Informationen teilen, die nicht mit der offiziellen Unternehmenskommunikation übereinstimmen. Dies kann zu Verwirrung und Misstrauen führen und die Krise verlängern oder intensivieren. Um diese Risiken zu minimieren, ist es entscheidend, dass im Unternehmen anerkannt wird, dass heute alle Mitarbeitenden potentielle Schnittstellen in die Öffentlichkeit darstellen und dass sie entsprechend vorbereitet und geschult sein sollten. Dabei geht es nicht darum, alle zu einheitlichen, PR-gesteuerten offizielle Mitteilungskanälen zu machen, sondern um Einbindung auf Augenhöhe. Alle im Unternehmen müssen wissen, wann im Krisenfall besondere Regeln gelten – und dazu gehört es zu erkennen, wann überhaupt so ein Krisenfall vorliegt.
Dies gilt nicht nur für ausgewählte Corporate Influencer, die an einem Programm teilnehmen, sondern für alle Beschäftigten. Alle Menschen sind heute auf die eine oder andere Weise auch digital vernetzt, und sei es nur, dass sie für ihr Umfeld in Messengern wie WhatsApp erreichbar sind. Doch die Programm-Teilnehmenden können, mit entsprechender Vorbereitung, in solche Situationen eine besondere Rolle einnehmen, auch als Vertrauenspersonen und Unterstützende ins Unternehmen hinein.
Verantwortung für die Menschen an der Schnittstelle zur Öffentlichkeit
Social CEO: Mit Sichtbarkeit durch die Krise führen
Das erste Wort, die ersten Sätze sind entscheidend: Wie die Unternehmensleitung im Krisenfall reagiert, kann darüber entscheiden, welcher Schaden für das Unternehmen und für die betreffenden Personen entsteht, wie gut die Krise überwunden wird. All dies gehört zum grundlegenden Kommunikationswissen, das in Unternehmen jeder Größe vorhanden sein sollte.
Wie sehr sich jedoch in den vergangenen Jahren die Vorzeichen verändert haben, ist in etlichen Vorstandsetagen noch nicht richtig angekommen. So wird beispielsweise selbst heute häufig noch nicht annähernd verstanden, was es in einer solchen Krise bedeutet, dass Mitarbeitende aus dem gesamten Unternehmen in sozialen Netzwerken nicht nur zu finden, sondern auch direkt ansprechbar sind. Gibt es dafür kein Bewusstsein und keine einvernehmlich vereinbarten, von allen verstandenen Regeln, kann ein Wildwuchs entstehen, der schwer einzudämmen ist.
Auf die Rolle von Social CEOs in der Krisenprävention, in der Krise und in der Krisenkommunikation werde ich in einem weiteren Beitrag ausführlich eingehen.
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