Corporate Influencer in Zeiten der Krise: Was jetzt wirklich zählt

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Wenn alles im Ausnahmezustand ist, dann ist es auch – und erst recht! – die Unternehmenskommunikation. In sozialen Netzwerken gibt es, ebenso wie in persönlichen Gesprächen, derzeit fast nur ein Thema; und nahezu alle anderen Gespräche sind früher oder später durch dieses Thema zumindest beeinflusst. PR und Content-Marketing müssen sich in der Krise umstellen – auch wenn sie gerade keine originäre eigene Krisen-PR betreiben (müssen). Die meisten Unternehmen haben genug damit zu tun, ihre Arbeit zu ordnen und umzustellen. Viele von ihnen kämpfen um die Existenz. Große Konzerne haben bereits angekündigt, ihre Werbekampagnen auszusetzen. Wie aber sieht es mit den Markenbotschaftern aus den Unternehmen in der Krise aus? Was hat sich für sie verändert? Was sollten sie verändern? Was macht gute Corporate Influencer in der Krise aus? Ich habe drei sinnvolle, typische Verhaltensweisen beobachtet und dafür Beispiele gefunden. Außerdem: Was Mitarbeitende jetzt wirklich brauchen. 

Better done than perfect! (Besser überhaupt etwas getan als es perfekt ausgeführt zu haben): In dieser für alle Beteiligten völlig neue Situation tolerieren Kunden, User, Community ziemlich viel Un-Perfektionismus. Spontaneität, schnell auf die Beine gestellte Aktionen und Angebote werden dann mit Aufmerksamkeit und Dank angenommen, wenn sie von Werten getragen sind. Provisorien, die anderen helfen sollen, sind okay; Schlampigkeit nicht. Auch und gerade in besonders belasteten Zeiten gilt es besondere Sorgfalt zu üben, besonders dann, wenn andere Menschen involviert sind.

Was (vermutete) Werteverstöße bewirken

Sensibel sind die Menschen gegenüber Egoismus, Alleingängen, Rücksichtslosigkeit, und seien sie nur vermutet. Auch verdeckte Vorhaben – etwa scheinbarer Altruismus, der tatsächlich nur der Eigenwerbung dienen soll – fliegen schnell auf. Das gilt eben auch dann, wenn ein Angebot arglos und allzu naiv gemacht wurde. Daher müssen sowohl Unternehmen in der offiziellen Kommunikation als auch Markenbotschafter mehr als je zuvor sich vor vorschnellen Äußerungen hüten und sich genauer überlegen, was sie wie ausdrücken.

In Zeiten der Krise sind Unternehmen mehr denn je auf sichtbare Köpfe angewiesen. Diese haben das Vertrauen der Community und sorgen dafür, dass sich Botschaften verbreiten. Sie sind aber zugleich das Ohr an den Stakeholdern und können ins Unternehmen zurückmelden, worüber gerade gesprochen wird oder wo es für die Marke problematisch werden kann. Zugleich sind sie aber auch besonders exponiert.

Markenbotschafter ist, wen das Gegenüber dazu macht

Strategische (Fehl-) Entscheidungen und Äußerungen der Führungsebene, die gegen Werte verstoßen oder auch nur unsensibel erscheinen, entladen sich also womöglich auf denen, die weder etwas dafür- noch etwas ändern können. Diese sind zudem womöglich gar nicht darauf vorbereitet, wie sie antworten und mit den Angriffen umzugehen sollten – nicht nur im Sinne der Marke, sondern auch im Sinne des Selbstschutzes. Daher brauchen Mitarbeitende umfassende Unterstützung.

Zieht der Arbeitgeber den Unmut der Öffentlichkeit auf sich, dann trifft dies im persönlichen Kontakt vor allem diejenigen, die als Mitarbeitende erkennbar sind, obgleich sie zur Situation gar nicht persönlich beigetragen haben. Dazu müssen sie sich eben genau nicht bereits als Corporate Influencer verstehen oder an einem entsprechenden Programm teilnehmen. Markenbotschafter (in diesem Beitrag finden Sie meine Definition des Begriffs) ist eben der- oder diejenige, den das Gegenüber dazu macht, weil der Arbeitgeber bekannt ist.


Was Mitarbeitende jetzt wirklich brauchen

Gerade jetzt sind also Unternehmensleitung und Kommunikationsabteilungen besonders gefragt, um diejenigen zu schützen und zu unterstützen, die ihnen anvertraut sind: die Mitarbeitenden. Jede*r, die/der sich für den Arbeitgeber aus dem Fenster lehnt, hat besondere Wertschätzung verdient. Die folgenden Punkte gehören dazu:

Klare Leitlinien. Gemeint sind Unterstützung und Anleitung, nicht Gängelung und Kontrolle. Social-Media-Guidelines liefern Orientierung. Es muss klar sein, wer wann was sagen darf und wer für das Unternehmen spricht. Nicht jede*r Mitarbeitende ist ein offizieller Unternehmenssprecher – auch dann nicht, wenn er unvermutet von jemand anderem konfrontiert und zur Stellungnahe gedrängt wird.

Funktionierende interne Kommunikation. Damit Mitarbeitende auch unter Stress nicht in Panik geraten oder unüberlegt handeln, bedarf es des Austauschs und der vorausschauenden Kommunikation im Unternehmen. Dabei sind Medienverhalten und Bedürfnisse der Betreffenden zu berücksichtigen. Guidelines in einem PDF im Internet nützen niemandem, der darauf keinen Zugriff hat; und auch nicht demjenigen, dem sich der Sinn einer Beschäftigung damit nicht von selbst erschließt.

Einfache Wege der Rückmeldung. Wer das Potenzial der Mitarbeiter-Markenbotschafter als Schnittstellen in die Öffentlichkeit und als Ohren an der Community ausschöpfen will, muss es ihnen leicht machen, Informationen in das Unternehmen zurückzuspielen. Auch hier ist unbedingte Wertschätzung gegenüber allen Mitarbeitenden das oberste Gebot.

Rechtssicherheit. Das Letzte, was Unternehmen und Mitarbeiter in diesen Zeiten gebrauchen können, ist eine Abmahnung wegen Schleichwerbung oder dergleichen. Der Arbeitgeber trägt Verantwortung dafür, dass die Mitarbeitenden weder sich noch der Marke schaden. Um das sicherzustellen, braucht man eindeutige vertragliche Vereinbarungen, verständliche Informationen und …

Erreichbare Ansprechpartner. Nicht nur, aber besonders in herausfordernden Zeiten müssen Mitarbeitende wissen, an wen sie sich mit Fragen wenden können und wer ihnen hilft, wenn doch einmal etwas schief gegangen ist. Damit sie sich auch trauen sich zu melden, braucht man eine …

Offene Fehlerkultur. Wo Menschen miteinander kommunizieren, geschehen Fehler. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Das müssen Unternehmen anerkennen, ganz gleich, ob sie nun eine aktive Markenbotschafterstrategie betreiben oder nicht. Mitarbeitende müssen wissen, dass sie nicht bestraft werden, wenn sie eigene Fehler frühzeitig melden.

Gute Vorbilder. Wann, wenn nicht jetzt? Unternehmensleitung und erfahrene Markenvertreter sollten sich gerade in diesen Zeiten zeigen und mit gutem Beispiel vorangehen.


Beispiele: Was Corporate Influencer jetzt tun (können)

Viele sichtbare Köpfe aus Unternehmen engagieren sich (nicht erst) jetzt für andere. Generell lässt sich sagen: Wer sich jetzt für andere stark macht, hat dies wahrcheinlich auch in der Vergangenheit getan. Doch viele wachsen nun noch einmal über sich hinaus oder setzen besondere Schwerpunkte. 

An die Mitarbeitenden denken

Der CEO oder die Vorständin als Corporate Influencer: Auch im Normalbetrieb bemisst sich der Erfolg einer Markenbotschafterstrategie mit am Verhalten der sichtbaren Markenvertreter aus der Führungsebene. Dabei gilt die besondere Sorgfalt in diesen Zeiten nicht zuerst dem Image der Marke, sondern den Menschen, die ihnen anvertraut sind.

Ein gutes Beispiel für ein solches fürsorgliches, vorbildhaftes Verhalten liefert Tina Müller, CEO Douglas Group, in diesem Interview, das Miriam Meckel und Daniel Rettig für ada mit ihr geführt haben. 

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Auch Jörg Ehmer, CEO Apollo Optik, macht sich als allererstes Gedanken um die Sicherheit der Mitarbeitenden. Direkt danach gilt seine Sorge denen, die in diesen Zeitem besonders gefordert sind. 

An die Community denken

Momentan ist nicht die Zeit, in der Community für maximale Aufmerksamkeit und Reichweite zu sorgen – jetzt ist die Zeit, um etwas an die Community zurückzugeben. Das haben viele sichtbare Köpfe aus Unternehmen verstanden. Sie nutzen ihre gute Vernetzung derzeit nicht hauptsächlich für Markenbotschaften, sondern um andere zu unterstützen. Dazu gehört auch, ihnen Mut zuzusprechen, Persönliches aus dem eigenen Umgang mit der Situation zu zeigen, Rat und Gespräche anzubieten sowie berufliche Unterstützung zu liefern.

In Instagram- und Facebook-Stories liefern Mitarbeitende der Stadtwerke Neuss, die nach wie vor im Einsatz sind,  Einblicke in ihre Arbeit und verbreiten Zuversicht.

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Aktiv sind auch in diesen Zeiten die Telekom-Botschafter, die sich bekanntlich als „Graswurzel-Bewegung“ gegründet haben. Das offensive Branding täuscht: Dies geschieht aus eigenem Antrieb und nicht im Auftrag der Unternehmenskommunikation. Bei Manuela Wild verbinden sich offene persönliche Aussagen mit beruflichem Angebot.

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Carsten Meißner, Senior Consultant Siemens for Fire Safety Solutions, teilt in diesen Zeiten persönliche Einblicke, appeliert an die Vernunft und hält Verbindung mit seinem Netzwerk. Solche Postings im Business-Network LinkedIn gehören dazu.  

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Ganz und gar nicht auf Öffentlichkeitswirksamkeit aus, sondern als Service an die eigene Community und daher nur mit „Freunden“ auf Facebook geteilt: Rouven Kasten, zuständig für das Online Marketing der GLS Bank, bietet für alle, die sich aussprechen wollen, Kontakt suchen oder in diesen Zeiten Aufmunterung brauchen, eine tägliche Kaffeerunde an. Zum persönlichen Profil von Rouven Kasten bei Facebook. (Screenshot mit Genehmigung des Autors)

An die Schwächeren denken

Die Krise als Chance begreifen: Daran ist sicherlich viel Wahres. Doch wer in Krisen wie dieser an Chancen denken kann, der ist in der Maslowschen Bedürfnispyramide schon ziemlich weit oben angekommen. Manche dagegen haben kaum eine Chance, unbeschadet daraus hervorzugehen. Das gilt nicht für die Unternehmen, deren Existenz bedroht ist. Das gilt vor allem für diejenigen, die besonders schwach sind. Wer als Corporate Influencer Sichtbarkeit aufgebaut hat, setzt diese jetzt ein, um anderen zu helfen.

Ein besonders berührendes Beispiel dafür liefert Magdalena Rogl, Head of Digital Channels Microsoft Deutschland, mit ihrer Geburtstagsaktion – und dies ist nur eines ihrer vielfältigen gesellschaftspolitischen Engagements.

 

Dr. Kerstin Hoffmann
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