Mehr denn je: Im Zeichen der Personenmarken

Warum die persönliche Vernetzung für Marken jetzt erst recht erfolgsentscheidend ist

Ich hatte den Beitrag mit dieser Überschrift schon fertig geplant und auf Termin gelegt, da kam Mark Zuckerbergs Ankündigung, dass Facebook künftig den Algorithmus viel stärker auf die persönliche Interaktion mit Freunden und Verwandten ausrichten wird. Marken und jetzt auch Medien haben es damit noch schwerer als bisher, sich im Nachrichtenstrom durchzusetzen – es sei denn, so Zuckerberg sinngemäß, ihre Inhalte sind Gegenstand von Diskussionen im persönlichen Umfeld des jeweiligen Nutzers.

Nun kann man zu Facebook persönlich stehen, wie man will: Das große soziale Netzwerk spielt nun einmal in der Kommunikation und damit im Alltag sehr vieler Menschen eine große Rolle. Damit ist es zugleich für Unternehmenskommunikation und Marketing (nicht nur) in Deutschland ein Medium, das Marken nicht ignorieren können. Auch spiegelt (oder ja nach Sichtweise: bestimmt) das, was hier geschieht und angestoßen wird, immer zugleich eine größere Entwicklung, die für viele andere Plattformen ebenfalls gilt.

Die Mär vom bösen Algorithmus

Andererseits sind ja Algorithmen nicht per se etwas Schlechtes, im Gegenteil. Sie sollen dafür sorgen, dass Relevantes überhaupt zu uns durchdringt. Sie sortieren den ansonsten völlig unsortierten Informationsfluss für uns vor und sorgen, bildlich gesprochen, dafür, dass wir darin überhaupt noch den Kopf über Wasser halten können. Das sollten vor allem diejenigen bedenken, die eine solche Sortierleistung von vornherein als Manipulation abtun.

Anfang 2017 hatte ich „Das Jahr der Personenmarken“ ausgerufen. Anlass war bei mir (auch) das Erscheinen meines Buchs „Lotsen in der Informationsflut“. Oder, je nach Sichtweise, umgekehrt: Das Buch war aus der Beobachtung heraus entstanden, wie Marken in diesen Zeiten der digitalen Informationsüberflutung weiterhin Sichtbarkeit für ihre Inhalte und damit unternehmerischen Erfolg erzielen.

Köpfe entscheiden (auch) über Käufe

Meiner Ansicht nach funktioniert dies mit gesichtslosen Firmenaccounts nur noch in Ausnahmefällen. Köpfe, wiedererkennbare Personen, die im Überfluss der Botschaften, Bilder und Angebote Orientierung bieten und zugleich für bestimmte Werte stehen, entscheiden darüber, was sich letztlich durchsetzt. Dazu habe ich auch im vergangenen Jahr sehr viel gebloggt und in Vorträgen erzählt.

Was ich Anfang 2017 noch überhaupt nicht absehen konnte, war die riesengroße Entwicklung und die zahlreichen, auch kontroversen Diskussionen um die sogenannten „Influencer“ in sozialen Netzwerken. Ich bin sehr froh, dass das Thema authentische Markenbotschafter aus Unternehmen zugleich sehr an Aufmerksamkeit gewonnen hat.

„Wat den Eenen sin Uhl‘ …“

Dabei kann man gar nicht oft genug betonen, dass „authentisch“ an sich noch keinen Vorteil darstellt. Man kann ja, und nicht nur Politiker machen uns das täglich vor, sehr authentisch und zugleich sehr unsympathisch oder gar abstoßend herüberkommen. Wobei auch dies sehr weitgehend im Auge und Ohr des Betrachters beziehungsweise des Gesprächspartners liegt. „Wat den Eenen sin Uhl‘, is den Annern sin Nachtigall“, sagt man in meiner norddeutschen Heimat (Fritz Reuter zitierend) dazu. Mit anderen Worten: Jeder Markenbotschafter bekommt das Publikum – oder vielleicht besser gesagt: das Umfeld –, das er verdient, und es geht gar nicht immer primär darum, möglichst viele anzuziehen, sondern klare Position zu beziehen.

Das bedeutet zugleich: Mehr denn je brauchen Unternehmen jeder Größe und in allen Branchen eine sehr deutliche Markenpositionierung. Das erfordert immer auch Mut. Denn wer sich klar für etwas positioniert, schließt zugleich auch diejenigen und dasjenige aus, das nicht dazu passt. Alle anzuziehen und es möglichst vielen recht zu machen, ist daher auf den ersten Blick sicherer und einfacher. Auf den zweiten Blick ist es der sichere Weg in die Belanglosigkeit. Eine Firma, die von sich keinen Markenbegriff hat, in Bezug auf Umfeld, Bezugsgruppen und vor allem den Nutzen, den sie diesen bietet, versinkt heute schneller denn je in der Beliebigkeit riesiger Datenmengen und Vergleichsmöglichkeiten von Angeboten.

Erst Marke, dann Botschafter

Vor der Markenbotschafter-Strategie muss also immer die Markenstrategie stehen. Erst wenn das Unternehmen sich klar positioniert hat, können einzelne Personen sich ebenfalls mit Bezug darauf für das einsetzen, wofür es steht. Ich finde, es ist eine sehr beglückende Erkenntnis dieser digitalen Zeiten, dass dies ohne Werteorientierung oft nur schwer gelingt und dass Vorgeschobenes oder Vorgetäuschtes meist schnell auffliegt.

Es wäre natürlich blauäugig anzunehmen, dass Markenbotschafter an sich und allein durch ihre Existenz die Welt verbessern würden oder dass Marken nun plötzlich zu Weltverbesserungsorganisationen mutieren würden. Die tägliche Berichterstattung lehrt uns etwas anderes, und wer in diesen Zeiten zuweilen mutlos wird, dem kann man es nicht verdenken.

Ein Dorf mit 150 Personen

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, und letztlich setzt Facebook genau hier mit der aktuellen Änderung auf, dass wir alle vom Übermaß an Informationen schlicht überwältigt sind. Unser Bewusstsein ist nach wie vor darauf ausgelegt, Neuigkeiten aus einer Gemeinschaft von etwa 150 Menschen zu verarbeiten. Bekommen wir mehr Informationen (und eben auch Katastrophenmeldungen), dann rechnen wir diese auf eine solche Gruppengröße um. Entsprechend katastrophal kommt uns die Welt vor, wenn wir sehr viele solcher Nachrichten erhalten.

In Zuckerbergs Statusmeldung heißt es dazu: „The research shows that when we use social media to connect with people we care about, it can be good for our well-being. We can feel more connected and less lonely, and that correlates with long term measures of happiness and health. On the other hand, passively reading articles or watching videos — even if they’re entertaining or informative — may not be as good.“

Wohlsein entscheidet über wirtschaftlichen Erfolg

Nun darf man wohl, ohne böswillig etwas zu unterstellen, davon ausgehen, dass Facebook sich nicht primär das „well-being“ also das Wohl der Menschheit zum Ziel gesetzt hat, sondern dass das Wohlsein und das Wohlgefühl der Nutzer vor allem darüber entscheiden, welchen Erfolg die Plattform in Zukunft haben wird. Zugleich heißt weniger organische Reichweite eben auch, dass Sichtbarkeit bezahlt wieder herzustellen ist, also mehr Anzeigen verkauft werden.

Auch daran kann ich übrigens gar nichts Verwerfliches finden, und ich kann das Wehgeschrei vieler Unternehmen über den Verlust organischer Reichweite nicht so recht nachvollziehen. Warum sollten Werbung und PR, mittels deren Firmen Gewinne erzielen wollen, geschenkt sein?

Schon seit längerer Zeit lässt sich ja zudem absehen, dass Menschen sich innerhalb beziehungsweise abseits der großen Netzwerke in ihre „Tribes“ zurückziehen. Der Boom der Messenger hält weiter an und wird in Zukunft noch zunehmen. Auch hier ist das Marketing-Potential ja noch nicht annähernd ausgeschöpft, und auch hier liegt nicht zuletzt für Facebook ein großes Potential, und auch das kann man wieder so oder so sehen.

Aber sobald wir uns im Bereich der Unternehmenskommunikation und des Marketings bewegen, und darum geht es ja hier, müssen wir eben solche Möglichkeiten betrachten und aktuelle Entwicklungen im Blick haben.

Zweidimensional zieht nicht

Markenbotschafter sind eben Vertreter von Wirtschaftsunternehmen. Doch wenn sie innerhalb ihres persönlichen Umfeldes für ihren Arbeitgeber für Sichtbarkeit und Relevanz sorgen wollen, dann gelingt dies nur dann, wenn sie sich werteorientiert verhalten und sich an Bedürfnissen und Nutzen ihrer Gesprächspartner orientieren. Dazu müssen sie nicht zuletzt mehr von sich zeigen als nur die professionellen Aspekte ihrer rein beruflichen Identität. Wer Werbebotschaften streut und als Person zweidimensional bleibt, ohne echtes Interesse am Gegenüber, ist schnell aus der Diskussion hinaus.

Zugleich ist es vielleicht an der Zeit, den Begriff „Personenmarke“ von etwaigen negativen Konnotationen zu befreien und rein sachlich als das zu verstehen, was er beschreibt. Denn letztlich ist jeder und jede, die – digital oder analog – mit anderen Menschen in Beziehung tritt, eine „Marke“. Er oder sie wird auf eine bestimmte Weise wahrgenommen, eingeordnet und natürlich auch in Schubladen einsortiert. So funktionieren wir Menschen nun einmal. Dazu gehört (nicht nur) in digitalen Medien das gesamte Auftreten ebenso wie jedes Detail.

Eigentlich ist jede/r ein „Personal Brand“

Jede/r sollte sich also Gedanken über das eigene „Personal Branding“ machen, ob es nun so genannt wird oder nicht, denn ansonsten ist es schlicht dem Zufall überlassen, wie er oder sie wirkt oder herüberkommt. Dazu braucht man – und dies gilt wiederum für Marken ebenso wie für Personen – nicht nur ein Selbstbild, sondern auch ein Fremdbild. Wer sich allzu großen Illusionen über sich selbst hingibt, tut sich selbst damit keinen Gefallen und manövriert sich im Zweifel ins soziale Aus – mit der ganzen Doppelbedeutung, die das Adjektiv „sozial“ in diesen digitalen Zeiten in sich trägt.

Was den Bereich der professionellen Unternehmenskommunikation angeht, möchte ich in diesem Jahr innerhalb des größeren Zusammenhangs von PR, Marketing und Contentstrategien wiederum Beiträge dazu leisten, dass Sie Ihre Personenmarke so klar herausarbeiten können, wie Sie es selbst wünschen. Ich möchte Marken und Markenbotschaftern Werkzeuge an die Hand geben, um ihre Strategie und ihre Taktiken zu verbessern sowie mit aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten.

Dr. Kerstin Hoffmann
4 Kommentare
  1. Bruno Mayer sagte:

    Sappralott ! Da floß aber wieder viel aus dem Hirn und Feder !
    Aber: WAS macht man denn, wenn man sein (Überlebens -) geld nicht durch Schreiben/Vorträge
    verdienen muß/will, aber durch viel weniger als die „150“ Menschengemeinschaft
    in möglichst geringer „Reichweite“ umsetzen möchte. Jedoch dann per äußerst vielseitigem
    Projekt ringsum im näheren Europa.

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