Uhrzeiger auf fünf vor 12

Endlich doch noch digitaler Meister!

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Wie Unternehmen die Digitalisierung in und mit der Kommunikation schaffen

Uhrzeiger auf fünf vor 12

In deutschen Unternehmen ist es in puncto Digitalisierung fünf vor 12 – das aber schon ziemlich lange. Wie lange geht das noch gut?

In deutschen Unternehmen hapert es in Sachen Digitalisierung, und je mehr Zeit vergeht, desto weiter klafft die Schere zwischen Erfordernis und Wirklichkeit. Der längst überfällige Wandel ist immerhin in einigen Unternehmen angekommen, findet aber in einer Großzahl deutscher Firmen immer noch nicht statt, oder viel zu zögerlich. Dass dies so ist, daran zweifelt wohl kaum jemand. Dennoch scheint es nicht so recht voranzugehen; teilweise offenbar sogar rückwärts. Dabei fehlt es keinesfalls an Informationen, Publikationen, Studien, Statistiken, Büchern, Artikeln, Videos (…) zum Thema; im Gegenteil. Die Flut der Vorschläge zu Veränderungen in allen Unternehmensbereichen ist so groß, dass es den Entscheidern zunehmend schwerfällt, überhaupt einen konkreten Ansatzpunkt zu entwickeln, geschweige denn eine ganzheitliche Strategie, die mittelfristig auch realisierbar ist. Ich will deswegen mit meinem Themenschwerpunkt in diesem Herbst vor allem reduzieren und fokussieren, und zwar aus dem Blickwinkel der Unternehmenskommunikation; und dies möglichst praxisbezogen basierend darauf, was ich täglich in meiner Arbeit beobachte.

Die Unternehmenskommunikation ist nur eine der vielen Baustellen, die in Bezug auf den digitalen Wandel jedes Unternehmen dringend angehen muss, wenn dies noch nicht geschehen ist, und stetig weiterentwickeln sollte, wenn es einmal ein Konzept gibt. Zugleich zeigen sich gerade in der Kommunikation bestimmte Entwicklungen – oder der Mangel an Weiterentwicklung – besonders deutlich. Der Grad der Digitalisierung in der Kommunikation ist also aus meiner Sicht ein guter Indikator für die digitale Reife eines Unternehmens oder einer Organisation insgesamt. Deswegen liegt hier der ideale Ansatzpunkt, um Veränderungen im komplexen System anzustoßen.

Zugleich steht und fällt der Erfolg von Veränderungen in allen Bereichen mit der richtigen Kommunikation. Ändert man etwas an der Kommunikation, vor allem an den internen Strukturen und der Organisation von Kommunikation, dann kann sich auch in allen anderen Prozessen etwas weiterentwickeln. Doch selbst wenn der Wille zur Veränderung da ist, fällt es oft schwer, eingeführte Abläufe aufzubrechen und Neuerungen unternehmensweit durchzusetzen.

Woran liegt das? Was kann man tun? Wie können deutsche Unternehmen die Digitalisierung doch noch schaffen? Das ist der Themenschwerpunkt, den ich in diesem Herbst hier im PR-Doktor setze. Dabei schaue ich mir Change in der Kommunikation an. Zum Start in die Thematik einige Überlegungen, die ich in meiner Sommerpause angestellt habe.

Die Digitalisierung ist ja längst da.

Es ist nicht so, und dies wird immer wieder zu Recht ins Feld geführt, dass es in deutschen Unternehmen keine digitalen Prozesse gäbe. Selbstverständlich hat die digitale Revolution längst Einzug in fast alle Branchen gehalten. Doch allzu häufig herrscht Inseldenken vor. Einzelne Bereiche und Prozesse sind nicht vernetzt. Zur Verfügung stehende Ressourcen werden nicht ausgenutzt. Nachgerade altertümliche Denkweisen, überkommende Hierarchien und unflexible, nicht mehr zeitgemäße Arbeitsmodelle bremsen die Nutzung und Weiterentwicklung von Technologie aus.

Dabei gibt es eine große Zahl von Studien, die jedoch nicht die Realität abbilden, sondern lediglich die Einschätzung der derzeitigen technischen Realität in einer breiten Öffentlichkeit. Ein Beispiel dafür ist etwa diese Verbraucherstudie von Hubspot aus diesem Jahr, die einfach eine Umfrage darstellt, somit ein Meinungsbild widerspiegelt; nicht mehr und nicht weniger.



Hier sind weder der tatsächliche Kenntnisstand der Befragten noch die tatsächliche technische Entwicklung berücksichtigt. In der Publikation wird auch deutlich, dass dies eine Meinungsumfrage ist. Nichtsdestotrotz führt dies in der Weiterverarbeitung zu Schlagzeilen wie „Künstliche Intelligenz: In fünf Jahren wird jeder Zweite KI bei der Arbeit nutzen“, was natürlich insofern nicht zutrifft, als die Studie darüber keinerlei Aussagen tätigt, weil sie sich ja nur mit den Einschätzungen von Verbrauchern befasst, die womöglich gar nicht wissen, wie weit KI und Machine Learning bereits ihren privaten und beruflichen Alltag prägen.

Wie könnten sie erst recht Prognosen für ein halbes Jahrzehnt treffen, wenn sich angesichts der Schnelligkeit, mit der sich alles verändert, selbst wirkliche Experten in diesem Gebiet mit Voraussagen schwertun?

Der Vorsprung ist schon bald nicht mehr aufholbar.

Wer sich in seinem Verständnis von bei digitaler Kommunikation heutzutage auf das eigene Erleben und den Austausch in Facebook und anderen sozialen Netzwerken beschränkt, redet grandios am Thema vorbei. Es geht längst um ganz andere Dinge, die unsere erlebte Welt prägen, die dafür sorgen, dass Märkte immer volatiler werden – und schwerfällige Organisationen mit hierarchischen Strukturen kaum noch mithalten können.

Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Bots: All dies ist von klassischen Fehleinschätzungen bezüglich der Relevanz geprägt. Dabei fehlt es keinesfalls an Informationen über die rasanten technischen Entwicklungen unserer Zeit, die auch – aber nicht nur – die Kommunikation betreffen. Doch in vielen Unternehmen wird gearbeitet und gewirtschaftet wie eh und je, als hätte dies alles keinerlei Relevanz für das eigene Handeln; als würde die internationale Konkurrenz nicht längst Vorsprünge gewinnen, die schon sehr bald nicht mehr aufholbar sind.

Die Tragweite und das Potential von KI und Machine Learning sind hierzulande größtenteils nicht ansatzweise verstanden. Jeder arbeitet in bewährter Weise mit traditionellen Verfahren vor sich hin, während Unternehmen wie Google, Facebook oder Uber sich einen Vorsprung erarbeiten, der den Markt nachhaltig verändern wird und im schlimmsten Fall deutsche Firmen in die Abhängigkeit von Software treiben wird, deren Preis sie nicht selbst bestimmen können.

Selbst der große Bereich der Kollaboration, in dem viele Unternehmen allein deswegen hinterherhinken, weil beispielsweise sich bestimmte Plattformen nicht mit den Compliance-Regeln aus dem vorigen Jahrtausend vertragen, ist nur die Spitze der Spitze eines Eisbergs in einer deutlich komplexeren Problematik. Doch wie ist diese Problematik greifbar zu machen? Wie kann es gelingen, sie für Entscheider so aufzubereiten, dass konkrete Handlungsimpulse erfolgen, weil die Relevanz des Ganzen verstanden wird? Und warum ist die Unternehmenskommunikation die ideale Schnittstelle im Unternehmen, um die Sache noch einmal ganzheitlich, aber in einem zu bewältigenden Ausmaß und in einem für die Beteiligten überschaubaren Prozess anzugehen?

Es gibt nicht zu wenige, sondern zu viele Informationen.

„Digitalisierung, „Digitale Transformation“, „Industrie 4.0“, „digitale Kollaboration“, „New Work“, „Machine Learning“ (…): Für jeden einzelnen Bereich gibt es unzählige Veröffentlichungen und auch sehr viele wertvolle Ansatzpunkte. Allein: Eine Überfülle an Informationen sorgt eher dafür, dass Menschen einfach abschalten und sich herausziehen. Die Wenigsten machen sich die Mühe, tiefer einzusteigen, Informationen für sich zu selektieren. Dies geschieht häufig nicht aus Mangel an gutem Willen, sondern schlicht aus Mangel an Zeit, vielfach auch aus einem Gefühl nicht nur der Überlastung, sondern der Überforderung. Schließlich fordert das eigene Fachgebiet, das oft einen ganz anderen Bereich betrifft, schon reichlich Aufmerksamkeit.

Wie soll der oder die Einzelne allein schon in der Kürze der Zeit beurteilen, welche Informationen einer näheren Betrachtung wert sind – und welche vernachlässigt werden können? Die Einschätzung auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen und die Zuverlässigkeit von Prognosen stehen noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

Wer die Ängste verkennt, kann nicht weiterkommen.

Um ein Umdenken sowie den Wunsch nach Veränderung zu erzeugen, kommt man einerseits nicht umhin aufzuzeigen, welche Gefahren der Stillstand im Status Quo mit sich bringt beziehungsweise, was sich durch das Neue verbessert. Denn Menschen sind nur dann zu Veränderungen bereit, wenn sie sich dadurch einen Nutzen oder eine Belohnung versprechen oder wenn durch die Veränderung ein Nachteil oder Schmerz vermieden werden kann.

Sehr häufig jedoch vollziehen Menschen dennoch eine Veränderung nicht, weil sie die wohlbekannte Hölle dem unbekannten Himmel vorziehen. Mit anderen Worten: Jede Veränderung erzeugt Ängste, mag sie noch so große positive Versprechungen mit sich bringen. Zudem bewirkt eine zu große Bedrohung eher Erstarrung bis hin zur Agonie, weil sie bei den Beteiligten das Gefühl erzeugt, dass sie ohnehin machtlos wären.



Insofern muss jedes Konzept scheitern oder in der Umsetzung sehr beeinträchtigt sein, das den Faktor Angst nicht berücksichtigt, Auf diesen Aspekt des Umgangs mit der Angst in Veränderungsprozessen, den ich hier schon einmal in Bezug auf sichtbare Markenbotschafter betrachtet habe, werde ich in einem weiteren Beitrag nochmals eingehen. Es gibt dazu auch einen Vortrag von mir, der allerdings noch nicht auf YouTube verfügbar ist.

Es ist ja noch immer gut gegangen.

Hinzu kommt: Oft ist der Schmerz abstrakt und zukünftig und damit weit weniger fühlbar als die unmittelbare Anstrengung, die erforderlich wäre, zusammen mit der Unsicherheit, die die Veränderung mit sich zu bringen scheint. Denn bisher geht es vielen deutschen Unternehmen so gut, dass sie selbst deutliche Reibungsverluste und massive Rückständigkeit locker wegstecken. Es besteht also keine unmittelbare Not, die dazu führen würde, sich bestimmten Erkenntnissen und Entwicklungen zu öffnen.

Aber: Es geht eben immer nur so lange gut, bis es nicht mehr gut geht, und dann ist es leider oft zu spät. Dies gilt auch für die Digitalisierung in deutschen Unternehmen.

Interne Prozesskosten werden vernachlässigt.

Wenn der Geschäftsführer eines Unternehmens, um eine bestimmte Information wieder hervorzuholen, minutenlang in seinem Posteingang oder in irgendwelchen Ordnern auf dem Server suchen oder herumtelefonieren muss, dann summiert sich das schon in relativ kurzer Zeit zu Beträgen, die weit höher sind als die Einführung einer durchdachten und auch auf seine Bedürfnisse abgestimmten Kollaborationslösung. Gleiches gilt für die unsäglichen E-Mail-Dialoge, die oft alleiniges Tool für die Organisation von Teams sind und im Projektmanagement sowie der internen Abstimmung in vielen Unternehmen nach wie vor eine sehr große Rolle spielen.

Doch die Kosten für deren Entwicklung und Implementierung stehen schwarz auf weiß in einem Angebot; die vertane Arbeitszeit des Vorstands rechnet jedoch niemand je zusammen. Wer aber solche internen Prozesskosten und Reibungsverluste nicht in der Rechnung berücksichtigt, verkennt die tatsächliche Lage und führt falsche Berechnungen ins Feld, um den Stillstand zu rechtfertigen.

Eigentlich muss sich alles ändern. Aber wer alles auf einmal ändern will, ändert meist gar nichts.

Eigentlich muss sich alles ändern. Aber wer alles auf einmal ändern will, führt aus den zuvor genannten Gründen das Unternehmen oder die Organisation zielsicher in die Angst- oder zumindest Überforderungsstarre. Jede Digitalisierungsreise beginnt mit dem ersten Schritt. Auch wenn die Thematik komplex ist, zweifelsohne viele Faktoren zu berücksichtigen sind und jede Simplifizierung auch Gefahren mit sich bringt: Ich möchte dazu ermutigen, Ballast abzuwerfen und sich zunächst dem Machbaren zu widmen.

Oft liegen Hinderungsgründe eher in einem Zuviel: zu viele Hierarchien, zu komplizierte Strukturen, zu viel veraltete Regelungen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen keinen Bestand mehr haben dürften. Wer hier aufsetzt, kann natürlich nur zu Konzeptionen gelangen, die bedrohlich komplex erscheinen oder viel zu aufwändig, um sie in realistischem Zeitrahmen umzusetzen.

Es fehlen praxisnahe, realisierbare Ansätze.

Auch deswegen empfiehlt es sich, an einer Stelle im System anzusetzen, um von dort die Strukturen aufzurollen. Der Bereich der Unternehmenskommunikation empfiehlt sich deswegen, weil Change immer zutiefst auch ein Kommunikationsthema ist und die Art, wie gleich von Anfang an mit allen Beteiligten kommuniziert wird, über den Erfolg des gesamten Projekts entscheidet.

Oft ist die Lösung für den richtigen Einstieg also viel einfacher als gedacht, aber es fehlen praxisnahe, realisierbare Ansätze. Daher werden wir hier in der Folge ganz einfache Rezepte vorstellen, mittels derer der Einstieg in eine holistische Digitalstrategie doch noch gelingen kann.

Kommunikation ist nicht alles – aber ohne Kommunikation ist alles nichts.

Damit sind wir wieder beim Einstieg: Selbst in Unternehmen, die in Sachen digitale Prozesse schon relativ weit vorne sind – meist, weil es der Markt dringend verlangt –, hapert es in der Unternehmenskommunikation, in der digitalen Zusammenarbeit und damit häufig auch im konstruktiven Umgang mit Veränderungen und erst recht mit Fehlern. Ein großer Teil der internen und externen Stakeholder, die im Prozess erfolgsentscheidend sind, bleiben außen vor oder verlieren sich in zu aufwändigen Abstimmungsprozessen.

Digitalisierung kann daher nicht allein aus der Unternehmenskommunikation heraus geschehen, aber die Unternehmenskommunikation stellt einen zentralen Ansatzpunkt dar. Die Entscheider und Fachleute in diesem Bereich können und sollten daher den Start in die neue Ära mit anstoßen und begleiten – damit die digitale Meisterschaft in erreichbare Nähe gerät. Genau darum wird es in den nächsten Beiträgen hier im PR-Doktor gehen.

Warum es hier als Erstes um KI und Machine Learning geht

In der Beschäftigung mit den Entwicklungen, die allein im Bereich Kommunikation auf uns zukommen beziehungsweise längst da sind, habe ich selbst festgestellt, in welchen Bereichen ich dringend Wissen brauche. Das sind Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Diese haben bereits heute und erst recht in naher Zukunft massive Auswirkungen auf die Art, wie wir Informationen erhalten und verarbeiten, wie wir kommunizieren und welche beruflichen Anforderungen wir erfüllen müssen.

Deswegen habe ich mich entschlossen, zum Start in meinen Themenschwerpunkt eine sehr ausführliche dreiteilige Artikelreihe eines Machine-Learning-Spezialisten zu veröffentlichen, die dieser exklusiv für den PR-Doktor geschrieben hat. Darin geht es zunächst um KI und Machine Learning insgesamt, mit vielen spannenden Beispielen. Im zweiten Teil reißt er nach einer Utopie eine Dystopie auf, bei der mir ziemlich die Haare zu Berge stehen. Im Teil 3 geht es dann konkret um die Auswirkungen auf die Unternehmenskommunikation. In der kommenden Woche geht es los!

Dr. Kerstin Hoffmann
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