Kann man sich Corporate Influencer aussuchen?

Für welche Unternehmen eignet sich überhaupt eine Corporate-Influencer-Strategie? Und welche Mitarbeitenden wählt man am besten als Corporate Influencer aus? Das sind zwei der Fragen, die ich zum Thema am häufigsten höre. – Die kurze Antwort: In beiden Fällen gibt es in Wirklichkeit gar keine Wahl. Jedes Unternehmen muss sich heute mit dem Thema  auseinandersetzen. Und weder Geschäftsleitung noch Kommunikationsverantwortliche können sich ihre Markenbotschafter aussuchen. Welche Wahlmöglichkeiten Sie dennoch haben, wie Sie mit sichtbaren und zukünftig einflussreichen Köpfen aus dem Unternehmen umgehen und worauf es dabei ankommt: Darum geht es in diesem Beitrag.

„Ob“ ist längst keine Option mehr, aber wie …

In vielen Unternehmen wird das Thema Corporate Influencer selbst heute noch als eine Art optionale Disziplin betrachtet. So als könnten die Verantwortlichen die Tatsache getrost ignorieren, dass Mitarbeitende als Vertreterinnen und Vertreter der Marke wahrgenommen werden, wo immer sie sich äußern. In Wirklichkeit geht es längst darum, diesen Fakt zu akzeptieren und damit bewusst umzugehen. Daher braucht es eine integrierte Sicht auf eine vielstimmige Außendarstellung, die seitens der offiziellen Unternehmenskommunikation nicht kontrollierend eingeschränkt und gesteuert werden kann. Die aber mit gezielter Unterstützung ganz neue Potenziale freisetzt.

Insofern sollte die Frage nicht lauten: „Für welche Unternehmen eignet sich überhaupt eine Corporate-Influencer-Strategie?“ Vielmehr: „Wie geht dieses Unternehmen mit dem Thema Corporate Influencer um, und welche Form eignet sich dafür besonders?“ Letzteres hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von den internen Ressourcen, aber auch vom Grad der digitalen Reife sowie von der Unternehmenskultur.

Ein Bewusstsein und zumindest eine Minimalstrategie in Verbindung mit unterstützenden Social-Media-Guidelines sollte es auf jeden Fall geben. Denn:

Ihre Mitarbeitenden sind längst Markenbotschafter

Corporate Influencer, Mitarbeiter-Markenbotschafter, Brand Ambassadors oder Eigenkreationen: In den mehr als zehn Jahren, in denen ich solche Projekte begleite, habe ich schon sehr unterschiedliche Bezeichnungen gehört und auch selbst verwendet. Wenn diese auf die aktiv an einem Pilot-Projekt Beteiligten gemünzt sind oder sich auf eine Auswahl von Mitarbeitenden beziehen, die an einem Programm teilnehmen: Dann besteht natürlich die Auswahlmöglichkeit.

Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zugleich bereits viele andere Mitarbeitende gibt, die längst von den Zielgruppen oder sogar einer größeren Öffentlichkeit als Markenvertreterinnen und Vertreter wahrgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn sie seitens des Arbeitgebers keine Unterstützung oder auch nur Anerkennung erfahren; uns selbst dann, wenn sie sich selbst nicht viele Gedanken über diese Rolle und über ihre eigene Außenwirkung machen.

Umso wichtiger ist es, insgesamt im Unternehmen ein Bewusstsein herzustellen und – Programm hin oder her – das Potenzial aller Mitarbeitenden als Markenbotschafter mit ihren jeweils ganz eigenen Netzwerken wertzuschätzen. Denn:

Markenbotschafter sind keine Marketing-Werkzeuge

„Markenbotschafter“ bedeutet im Verständnis vieler Menschen und auch vieler Führungspersonen solche Unternehmensangehörige, die sich positiv oder gar eindeutig werbend über den Arbeitgeber äußern. Dies muss aber keinesfalls so sein. Abgesehen davon, dass Corporate Influencer mit allzu werblichen Aussagen eher unangenehm auffallen würden: Auch unzufriedene Mitarbeitende beeinflussen mit ihren Äußerungen das Bild der Marke. So wie ja auch unzufriedene Kunden-Markenbotschafter mit ihren öffentlichen Bewertungen auf das Kaufverhalten künftiger potenzieller Kunden einwirken.

Daher ergibt es keinen Sinn zu versuchen, in einem Unternehmen, in dem die Mitarbeiterzufriedenheit nicht hoch ist oder die Unternehmenskultur wenig Mitarbeiter-orientiert, mit marketinggesteuerten Botschaftern ein anderes Bild nach außen zu vermitteln. Die Wahrheit kommt doch immer heraus. Und wer sich instrumentalisiert fühlt, wird sicherlich dadurch nicht motivierter werden.

Andererseits habe ich mehr als einmal erlebt, dass sich die Zufriedenheit von Mitarbeitenden erhöht, wenn sie sich im Rahmen einer bewusst gestalteten Markenbotschafter-Strategie wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Liegt jedoch grundsätzlich etwas im Argen, gibt es erst einmal andere Baustellen als ein Markenbotschafterprogramm.

Wer soll an einem Corporate-Influencer-Programm teilnehmen?

Auch wenn Unternehmen nicht die Wahl haben, wer sich in sozialen Netzwerken aber auch anderswo in der Öffentlichkeit äußert und damit Einfluss auf das Bild der Marke nimmt: Sobald ein Programm auf die Beine gestellt wird, gilt es die daran Mitwirkenden auszuwählen. Wie viele dies sind, ob zu Beginn mit einer kleinen Gruppe gestartet wird und ob sich alle bewerben können: Das hängt von der Konzeption und eben auch von den Ressourcen ab. Von der gezielten Ansprache über den Aufruf in einem bestimmten Unternehmensbereich bis zum allgemeinen Aufruf kann dies also ganz unterschiedlich aussehen.

In jedem Fall ergibt es Sinn, eine möglichst heterogene Gruppe zusammenzustellen, also nicht nur besonders Digitalaffine oder schon sehr sichtbare Social-Media-Profis auszuwählen. Denn das Ziel eines solchen Programms sollte es immer sein, für das Gesamtunternehmen, also für die gesamte Belegschaft zu lernen: Wie können wir am besten unterstützen? Welche Hindernisse und Widerstände gibt es? Wie gehen wir mit Problemen und Krisen um? Was brauchen die Mitwirkenden?

Fazit: Gestaltung ist möglich – und sinnvoll!

Unternehmen können und sollten das Thema nicht ignorieren. Aber ein aktiver, bewusster Umgang damit erhöht die Gestaltungsmöglichkeiten und nützt allen Beteiligten.

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Dr. Kerstin Hoffmann