Corporate-Influencer-Strategie: Schlüssel zu Digital Literacy und digitaler Reife

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Corporate-Influencer-Programme: oft auf Marketing-Aspekte reduziert oder von Entscheidern als „nett zu haben, aber nicht essenziell“ bewertet. Dabei handelt es sich um ein zutiefst strategisches Thema, dem sich heute kein Unternehmen mehr entziehen kann und sollte. Ein zentraler Aspekt: Die Arbeit an der Corporate-Influencer-Strategie bringt schnell an den Tag, wie es um die digitale Reife im Unternehmen sowie um weitere Schlüsselbereiche bestellt ist. Sie unterstützt dabei, Kompetenzen auszubauen und die Digitalisierung voranzutreiben. Wer sich bewusst als Mitarbeiter-Markenbotschafter engagiert, steigert zudem ganz unvermeidlich die eigene Digital Literacy – und übernimmt damit intern eine entscheidende Vorbildfunktion. 

Deutsche Unternehmen und Digitalisierung: Trotz einiger geglückter Beispiele immer noch ein schwieriges Thema. „Stillstand statt Fortschritt“ konstatierte das Institut der deutschen Wirtschaft auch in diesem Jahr anhand der Werte im Digitalisierungsindex. Menschen im Unternehmen entscheiden darüber, ob und wie gut die Organisation in der Digitalisierung mithalten kann. Doch oft fehlt bei Entscheidern das Bewusstsein. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollten jedoch Energie und Ressourcen systematisch in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens fließen, und dazu gehört ganz wesentlich die digitale Reife.

Individuelle Kompetenz vs. Compliance?

Aus eigener Beobachtung: Schien die Pandemie zunächst wenigstens in Teilbereichen einen Digitalisierungsschub auszulösen, so laufen mittlerweile in vielen Unternehmen nach wie vor provisorische Lösungen, die sich mit Compliance und effizienter Systematik schwer vereinbaren lassen. Schnell auf Videokonferenzen umzustellen und Dateiübertragungen zu ermöglichen ist eben noch keine Digitalisierung.

Andererseits sind viele Mitarbeitenden längst weiter als etwa die offizielle Unternehmenskommunikation. Sie tauschen sich in ihren persönlichen Netzwerken schnell und unkompliziert über Messenger aus. Sie nutzen mobile Technologien und Apps. Sie sind zumindest privat versiert in Recherche oder Bestellprozessen. KI-Anwendungen probieren sie auch dann aus, wenn dies beim Arbeitgeber noch gar kein Thema ist. Sie werden zudem ohnehin immer dann als Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter wahrgenommen, sobald sie als Unternehmensangehörige erkennbar sind – ganz gleich, ob hier im Unternehmen ein Bewusstsein dafür vorhanden ist.

Die Kompetenzen und Erfahrungen dieser Menschen könnten in einem idealen Unternehmensumfeld dazu beitragen, sich gemeinsam Technologien zu erschließen und diese zu implementieren. Dazu gilt es jedoch auf allen Ebenen, fehlendes Wissen zu ergänzen und Qualität zu sichern.

Social-Media-Literacy als Pflichtprogramm

Doch wenn der offizielle Apparat zu schwerfällig ist, schaffen die digitalerfahrenen, gleichwohl nicht immer gleichermaßen problemsensiblen Menschen im Unternehmen oft auf eigene Faust Bypässe, die dann eben auch gefährliche Sicherheitslücken eröffnen oder datenschutzrechtlich problematisch sein können.

Ein Beispiel: Gibt es keinen offiziellen Messenger, keine gut und einfach handhabbaren schnellen Kommunikationswege im Unternehmen, werden eben private WhatsApp-Gruppen gegründet. Mitarbeitende begeben sich auf rechtlich dünnes Eis, um auf eigene Faust ihre Arbeitsfähigkeit und damit den Erfolg des Arbeitsgebers zu sichern. Ein Unding. – Es ließen sich viele weitere Beispiele nennen.

Andererseits nützt die beste Digitalstrategie nur dann etwas, wenn es gelingt, alle mitzunehmen – auch die digital Unerfahrenen sowie diejenigen, die mit Social Media überhaupt nichts anfangen können. Denn Social-Media-Literacy, die Erkenntnis der Notwendigkeit und das Wissen um die Nutzung zeitgemäßer Medien als Person, gehört zur Digital Literacy dazu.

Auch in dieser Hinsicht ist daher die Auseinandersetzung mit dem Thema Corporate Influencer weder für Entscheider in Unternehmen noch für Mitarbeitende in allen Bereichen optional.

Digital Literacy als Voraussetzung für digitale Reife

Digital Literacy ist im Deutschen mit „digitale Kompetenz“ nur unzureichend übersetzt. Denn sie umfasst sowohl den Prozess der, im übertragenen Sinne, digitalen Alphabetisierung als auch die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die dann zur Verfügung stehen. Sie beschreibt das Verständnis und die Einstellungen, die benötigt werden, um mit digitalen Technologien verantwortungsvoll umzugehen, zu interagieren, Informationen zu finden und zu bewerten, Inhalte zu erstellen, zu kommunizieren und Probleme zu lösen. Somit bildet sie die Grundvoraussetzung, um in digitalen Zeiten in der Gesellschaft und im Berufsleben selbstwirksam und wirkungsvoll im Sinne gesetzter Ziele zu agieren.

In Unternehmen stellt Digital Literacy der Einzelnen aber auch der Gemeinschaft die Basis für die digitale Reife dar.

Digitale Reife bezieht sich auf die Fähigkeit eines Unternehmens, digitale Technologien effektiv und strategisch zu nutzen. Es geht darum, wie gut ein Unternehmen seine Geschäftsprozesse digitalisiert hat, wie gut es seine Kunden digital bedient, wie integriert es digitale Technologien zur Verbesserung seiner Produkte und Dienstleistungen nutzt und wie gut es in der Lage ist, auf Veränderungen in den Märkten sowie in den Technologien zu reagieren.

Ohne Digital Literacy der Beteiligten ist digitale Reife also nicht möglich. Unternehmensangehörige, die nicht wissen, wie sie Technologien effektiv nutzen können, werden Schwierigkeiten haben, an Geschäftsprozessen teilzunehmen. Kenntnisse über Zielgruppen, zeitgemäße Kundenkommunikation, digitale Kommunikations- und Kaufprozesse, Interaktion mit allen Zielgruppen: Daran wird es fehlen. Social-Media-Literacy bildet einen wesentlichen Bestandteil davon.

Es ist also unverzichtbar, dass Unternehmen sowohl in die digitale Reife und die damit verbundenen Prozesse als auch in die Förderung der Digital Literacy ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. Sie müssen ihnen die notwendigen Fähigkeiten und das Wissen vermitteln und eine Kultur schaffen, die den effektiven und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Technologien fördert.

Was Corporate-Influencer-Strategien für Digital Literay und digitale Reife leisten

Inwiefern tragen Corporate-Influencer-Strategien und die daraus resultierenden Programme zur Digital Literacy bei, und wie nützt dies insgesamt der digitalen Reife im Unternehmen?

Problemverständnis der Führungsebene

Eine Führungsebene, die sich damit auseinandersetzt, dass Mitarbeitende über digitale Medien sichtbar und erreichbar sind und somit direkten Einfluss auf Markenbild und Unternehmenserfolg nehmen, hat einen ersten wichtigen Schritt in Richtung digitale und mediale Reife getan.

Eine gut etabliertes Corporate-Influencer-Programm fördert das Verständnis für die Bedeutung von Digital Literacy und digitaler Reife auf allen Ebenen im Unternehmen. Indem Führungskräfte anerkennen, dass sie in zeitgemäßen digitalen Medien präsent sein und eine Stimme haben sollten, werden sie selbst zu Vorbildern für die digitale Kompetenz. Sie setzen sich mit digitalen Technologien und sozialen Medien auseinander und erkennen deren Potential für das Unternehmen. Dieses Problemverständnis ist also entscheidend, um digitale Transformation und Investitionen in die Digital Literacy voranzutreiben.

Wird das Programm sorgfältig erarbeitet, zeigt sich Handlungs- und Unterstützungsbedarf in vielen verschiedenen Bereichen. Transformation kann jedoch nur dann geschehen, wenn Entscheiderinnen und Entscheider verstanden haben, wie dringlich dies ist und worum es wirklich geht.

Digital und Social-Media-Literacy aller Mitarbeitenden

Jeder Mensch braucht heute digitale Kompetenzen: um mit anderen Menschen in Verbindung zu treten, um persönliche ebenso wie berufliche Angelegenheiten zu regeln, um an entscheidende Informationen zu kommen. Social Media sind nicht mehr optional, und damit ist nicht nur gemeint, sich aktiv auf Facebook oder Instagram einzubringen. Um sich in der Informationsgesellschaft zurechtzufinden, braucht es viele weitere Kompetenzen. Es wird selbst für digital Erfahrene beispielsweise immer schwieriger, wahr von fake zu unterscheiden. Mit der wachsenden Nutzung von KI-Tools werden trügerische Inhalte und Deep Fakes weiter zunehmen.

Unternehmen tragen Verantwortung, ihre Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, solche mittlerweile grundlegenden Fertigkeiten zu erwerben. Dies gilt zugleich immer dem Schutz der Marke selbst. Wer gelernt hat, verantwortungsbewusst mit digitalen Technologien umzugehen, handelt auch im Job souveräner und vor allem sicherer.

Unternehmenskultur als Basis für Transformation

Darüber hinaus hat eine Corporate-Influencer-Strategie auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Wichtige Werte wie Offenheit, Transparenz und Partizipation werden gefördert. Die Mitarbeitenden werden ermutigt, ihre Kenntnisse und Ideen einzubringen und sich aktiv an der Gestaltung zu beteiligen. Dies schafft eine Kultur des Wissensaustauschs, die die Innovationskraft und Agilität des Unternehmens steigert.

Ein solches Programm kann dazu beitragen, Silos und Hierarchien im Unternehmen aufzubrechen. Corporate Influencer agieren oft über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg und schaffen so Verbindungen zwischen verschiedenen Teilen des Unternehmens. Dies fördert den Austausch zwischen den Mitarbeitenden und verbessert die Zusammenarbeit, wenn es gilt komplexe Aufgaben zu bewältigen sowie neue Projekte anzustoßen.

Vorbilder und interne Botschafter

Corporate-Influencer-Programme fördern also die Digital Literacy und Social-Media-Literacy aller Mitarbeitenden. Indem diejenigen, die beispielsweise in einem Pilotprojekt an einem Programm teilnehmen, sich ihrer Rolle als Markenbotschafter bewusst werden und diese aktiv gestalten, erweitern sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien und sozialen Medien. Sie lernen, wie man qualitativ hochwertige Inhalte erstellt, diese über verschiedene Kanäle teilt und mit dem eigenen Netzwerk interagiert.

Dieses Engagement führt dazu, dass die Mitarbeitenden aktiv die digitale Reife im Unternehmen mit vorantreiben. Zugleich übernehmen sie eine Vorbildfunktion als interne Botschafter in die gesamte Belegschaft.

Interne Kommunikation und funktionierende Kollaboration

Eine gut entwickeltes Corporate-Influencer-Programm kann maßgeblich dazu beitragen, die interne Kommunikation zu verbessern und eine funktionierende Kollaboration zu fördern. Damit dies gelingt, müssen jedoch die entsprechenden Strukturen, Prozesse, Plattformen und Tools vorhanden sein – oder geschaffen werden. Daher zeigen sich bereits in der Erarbeitung mögliche Defizite schnell: Gibt es leicht nutzbare Tools für die Kollaboration, die von allen Beteiligten angenommen und tatsächlich genutzt werden? Wie effizient funktionieren Austausch und Wissenstransfer?

Hapert es hier, dann besteht ganz sicher weit über diese Teilstrategie hinaus insgesamt Handlungsbedarf im Unternehmen. Insofern stellt die Corporate-Influencer-Strategie auch hier einen entscheidenden Prüfstein für die digitale Reife dar. Dies betrifft beispielsweise folgende Aspekte.

Strukturen: Ein Corporate-Influencer-Programm erfordert eine klare Struktur, die festlegt, wie Corporate Influencer identifiziert, ausgewählt, geschult und unterstützt werden. Es müssen Verantwortlichkeiten und Rollen definiert werden. Die Analyse der vorhandenen Strukturen zeigt mögliche Defizite wie eine unklare Aufgabenverteilung, fehlende Ressourcen oder Kommunikationslücken auf.

Prozesse: Die Definition der Prozesse ist ein weiterer wichtiger Schritt bei der Erarbeitung einer Corporate-Influencer-Strategie. Es müssen klare Richtlinien und Leitlinien festgelegt werden, die den Corporate Influencern als Orientierung dienen. Die Analyse der bestehenden Prozesse zeigt mögliche Defizite wie ineffiziente Abläufe, unklare Abstimmungswege oder fehlende Erfolgskontrolle auf.

Plattformen: Die Wahl der richtigen Plattformen ist entscheidend für den Erfolg der Corporate-Influencer-Strategie. Mitwirkende brauchen Unterstützung dabei, die für sie geeigneten Kanäle zu identifizieren, auf denen sie ihre Inhalte teilen und mit ihrem Netzwerk interagieren. Die begleitende Analyse der vorhandenen Unternehmenspräsenzen zeigt mögliche Defizite wie unzureichende Präsenz in relevanten sozialen Medien, mangelnde Reichweite oder fehlende Integration verschiedener Kommunikationskanäle auf.

Tools: Die Auswahl und Implementierung geeigneter Tools unterstützt die Corporate-Influencer-Strategie, etwa bei der Umsetzung und Messung ihrer Aktivitäten. Dies umfasst etwa Social-Media-Management-Tools, Content-Erstellungs-Tools, Analytics-Tools oder Kollaborationstools. Die Analyse der vorhandenen Tools zeigt mögliche Defizite wie fehlende Technologien oder veraltete Systeme auf, die eine effektive Umsetzung der Corporate-Influencer-Strategie behindern könnten. Hieraus lassen sich wiederum Rückschlüsse für das Gesamtunternehmen und für alle Prozesse ziehen.

Prüfstein für die Zukunftsfähigkeit

Die Corporate-Influencer-Strategie und deren Auswirkungen auf die digitale Reife, die Prozesse und die Unternehmenskultur haben einen direkten positiven Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit: Indem die Mitarbeitenden ihre Rolle als Corporate Influencern ausfüllen, werden sie ermutigt, neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln. Der offene Austausch von Wissen und Ideen sowie die Kollaboration über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg schaffen eine innovative Umgebung, in der neue Konzepte und Technologien schneller adaptiert werden können. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, sich agil auf Veränderungen im Markt und in der Technologie vorzubereiten und zukunftsfähig zu bleiben.

Reputation und Markenimage: Corporate Influencer schaffen eine persönliche Verbindung zu den Kunden, Partnern und der breiten Öffentlichkeit. Durch den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Einblicken bauen sie Vertrauen und Glaubwürdigkeit auf. Dies wirkt sich positiv auf das Image und die Reputation des Unternehmens aus und kann zu einer gesteigerten Kundenbindung und Kundenzufriedenheit führen.

Attraktivität als Arbeitgeber: Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden als Corporate Influencer unterstützen, signalisieren Offenheit, Transparenz und die Wertschätzung der individuellen Expertise. Dies kann Talente anziehen, die bestrebt sind, in einem innovativen und digital-affinen Umfeld zu arbeiten. Eine starke Employer-Branding-Strategie, unterstützt durch Corporate Influencer, kann dazu beitragen, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und langfristige Beziehungen zu den Mitarbeitenden aufzubauen.

Wettbewerbsfähigkeit: Unternehmen, die Unternehmen, die auf das Potential aller Unternehmensangehörigen setzen, sind wettbewerbsfähiger. Sie verfügen über gut ausgebildete und digital gebildete Mitarbeitende, die in der Lage sind, die Potenziale digitaler Technologien auszuschöpfen. Die funktionierenden Prozesse, die verbesserte interne Kommunikation und Kollaboration sowie die gestärkte Außenwirkung tragen dazu bei, dass das Unternehmen sich am Markt differenzieren kann und eine starke Position einnimmt.

Fazit

Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden als Corporate Influencer einbinden und deren Digital Literacy fördern, sind besser in der Lage, sich den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu stellen und sich von Mitbewerbern abzuheben.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Digital Literacy und die aktive Nutzung digitaler Kanäle ermöglichen es dem Unternehmen, sich den sich ständig verändernden Technologien und Marktanforderungen anzupassen. Ein Corporate-Influencer-Programm bietet eine Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen. Dies führt zu einem kontinuierlichen Lernprozess und einer stetigen Weiterentwicklung.

Insgesamt trägt eine gut umgesetzte Corporate-Influencer-Strategie dazu bei, dass das Unternehmen zukunftsfähig bleibt, indem es digitale Kompetenzen aufbaut, Prozesse optimiert, die Unternehmenskultur stärkt und seine Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Dies ermöglicht es der Organisation, sich stets aufs Neue an die sich wandelnden Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen und erfolgreich zu sein.

Dr. Kerstin Hoffmann