Wie viel KI brauchen Corporate Influencer?
„Ein KI-Workshop!“ Das wünschen sich viele Corporate Influencer. Künstliche Intelligenz verändert die Kommunikation – nicht nur in PR-Abteilungen, sondern auch dort, wo Mitarbeitende in ihrer Rolle als Corporate Influencer auftreten. Wer für ein Unternehmen sichtbar ist, prägt das Markenbild mit. Damit wird auch der Einsatz von KI zu einer Frage der strategischen Verantwortung, vor allem für diejenigen, die Corporate-Influencer-Programme konzipieren, umsetzen und begleiten. Wie viel Unterstützung ist sinnvoll? Wo liegen die Grenzen? Und was bedeutet das für die Schulung und Begleitung der Teilnehmenden?
Inhaltsverzeichnis
„Ein KI-Workshop!“ So lautet eine der häufigsten Antworten von die Teilnehmenden in Corporate-Influencer-Programmen, wenn sie nach ihren Wünschen zu den vermittelten Inhalten gefragt werden. Zumindest ist das so in den Programmen, die ich begleite. Allerdings sind die Erwartungen, was ein solcher Workshop leisten kann, von Person zu Person sehr unterschiedlich.
Einige wollen einfach die Möglichkeiten von Large Language Models (LLM) wie ChatGPT, Bildgenerierungstools wie Midjourney oder Übersetzern wie Deepl genauer kennenlernen. Andere haben sich bisher noch gar nicht näher mit dem Thema befasst und erhoffen sich einen einfachen Einstieg. Manche von ihnen hegen vielleicht sogar die Hoffnung, dass KI ihnen in Zukunft auf Knopfdruck nahezu die ganze Arbeit des Ideen-Findens und Schreibens von Beiträgen abnimmt. Letzteres ist natürlich unrealistisch, und es ist auch eine der Aufgaben der Programmverantwortlichen, hier aufzuklären.
Herausforderungen für die Programm-Verantwortlichen
Doch künstliche Intelligenz gehört längst zum Arbeitsalltag fast aller Menschen, ob sie sie nun aktiv selbst einsetzen oder mit ihren Ergebnissen konfrontiert werden. Die Anwendung hat aber Grenzen und sehr unterschiedliche Vorzeichen. Sie ist nicht immer ohne Risiko. Und es hängt sehr von den Einzelnen, ihren Voraussetzungen und beispielsweise Medienzugängen ab, in welchem Umfang sie generative KI gegenwärtig selbst einsetzen können. Allein deswegen gehören KI-Schulungen meiner Ansicht nach in jedes Corporate-Influencer-Programm.
Mit einem oder zwei Workshops ist es aber nicht getan, um die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. Es geht zudem um ein gemeinsames Bewusstsein und auch um ständige Weiterentwicklung. Dabei sind die ganz unterschiedlichen Bedürfnislagen zu berücksichtigen.
Dies stellt die Programm-Verantwortlichen und diejenigen, die Workshops und Meetups leiten sowie beraten und coachen vor keine kleine Herausforderung.
Digitalkompetenz ist Voraussetzung, nicht nur in der Kommunikation
Die Nutzung von KI ist nicht optional, und sie ist auch gar nicht vermeidbar. Wer sich in sozialen Netzwerken bewegt, muss mehr als nur die Grundlagen kennen. Dazu gehört nicht nur, selbst verschiedene Tools anwenden zu können. Entscheidend ist beispielsweise die Fähigkeit, KI-generierte Inhalte zu erkennen, einzuordnen und kritisch zu reflektieren. Das betrifft auch und gerade Corporate Influencer. Nicht, weil sie KI zwingend einsetzen sollen, sondern weil sie sich auf Plattformen bewegen, auf denen KI-basierte Inhalte Alltag sind.
Ein Ziel von Corporate-Influencer-Programmen muss also darin bestehen, Digitalkompetenz verständlich zu vermitteln, um sie strategisch zu verankern. Es reicht also auch nicht, Schulungen auf technisches Toolwissen zu beschränken.
Die KI-Kompetenzpflicht und ihre Folgen
Die Einführung der EU-Verordnung über künstliche Intelligenz (KI-VO) hat die Diskussion über die Verpflichtung von Unternehmen zur Förderung der KI-Kompetenz intensiviert. Gemäß Artikel 4 der KI-VO, deren erste verbindliche Anforderungen ab dem 2. Februar 2025 gelten, sind Unternehmen verpflichtet sicherzustellen, dass ihr Personal über ausreichende Kenntnisse im Umgang mit KI-Systemen verfügt – einschließlich technischer, rechtlicher und ethischer Aspekte.
Diese gesetzliche Anforderung betrifft alle Arbeitgeber, die KI-Systeme entwickeln oder nutzen, unabhängig von Unternehmensgröße oder Branche. Entscheidend ist dabei, ob Mitarbeitende in ihrem Arbeitsalltag mit KI in Berührung kommen. Gehört die Tätigkeit als Corporate Influencer zu den arbeitsvertraglich geregelten Aufgaben oder wird sie während der Arbeitszeit ausgeführt, ist also davon auszugehen, dass sie Teil des Arbeitsalltags ist – selbst wenn KI im ansonsten üblichen Tätigkeitsbereich der Mitarbeitenden keine Rolle spielt.
Das können Sie tun:
- Verankern Sie Digitalkompetenz – und das bezieht sich eben nicht allein auf KI-Anwendungen – als festen Bestandteil des Programms.
- Gestalten Sie Schulungen so, dass die Teilnehmenden als Erstes lernen, KI-basierte Inhalte einzuordnen, bevor sie eigene erstellen.
- Vernetzen Sie die Fortbildung im Corporate-Influencer-Programm mit den generellen KI-Fortbildungen im Unternehmen.
Deepfakes und Desinformation erkennen und einordnen
Mit dem Einsatz von KI steigt auch die Zahl gefälschter Inhalte. Deepfakes, KI-generierte Zitate oder manipulierte Screenshots sind längst keine Ausnahme mehr. Und momentan sehen wir gerade erst den Anfang dessen, was möglich sein wird. Corporate Influencer mit einer gewissen Sichtbarkeit können zum Ziel oder unwissentlichen Verstärker solcher Inhalte werden.
Programme müssen darauf vorbereitet sein. Durch technische Schulungen und indem sie sensibilisieren.
Das können Sie tun:
- Bieten Sie ein Grundlagentraining zu Bild- und Quellenprüfung an und stellen Sie Tools und Plattformen vor, die bei der Verifikation helfen.
- Entwickeln Sie gemeinsam Szenarien, in denen manipulierte Inhalte analysiert werden.
- Fördern Sie gezielt Problembewusstsein und die Fähigkeit, kritisch zu hinterfragen, bevor geteilt oder reagiert wird.
Wo unterstützt KI, und wo ist ihr Einsatz fehl am Platz?
Viele Corporate Influencer stehen vor einer Herausforderung: Sie möchten sich sichtbar machen, wissen aber nicht, wie sie Inhalte entwickeln oder strukturieren sollen. Ihre Zeit ist begrenzt. Hier kann KI unterstützen. ChatGPT oder ähnliche Systeme liefern Inspiration, helfen beim Einstieg oder bieten Feedback zu bestehenden Texten. Solche Funktionen können die Hemmschwelle senken und Zeit sparen. Wenn man sie richtig einsetzen kann, und das kostet eben Aufwand, bis man es beherrscht.
Allerdings gehört es genau zu den Kernaufgaben eines Corporate-Influencer-Programms, die Beteiligten darin zu unterstützen, ihre persönliche Contentstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Das kann man keiner KI überlassen. Im Gegenteil: Nur wenn alle Grundlagen geschaffen sind, ist auch die Kompetenz vorhanden, sich von Tools unterstützen zu lassen.
In dem Moment, in dem KI nicht mehr nur assistiert, sondern den Inhalt dominiert, geht die persönliche Stimme verloren. Gerade in Corporate-Influencer-Programmen ist das kontraproduktiv. Es geht um echte Einblicke in das Arbeitsleben, um Haltung und individuelle Sichtweisen, nicht um generierte Texte. Eine KI sollte niemals persönliche Einblicke oder Überzeugungen ersetzen.
Das können Sie tun:
- Ermutigen Sie Teilnehmende, KI als Werkzeug zu nutzen, nicht als Textersetzer.
- Sensibilisieren Sie für die Gefahr der inhaltlichen Verwässerung durch übermäßigen KI-Einsatz.
- Schaffen Sie Transparenz darüber, wann und wie KI eingesetzt werden sollte – und wo nicht.
Persönliche Kommunikationsstrategie erarbeiten
In allen Programmen, an denen ich mitarbeite, gibt es Workshops und Coachings, in denen die Corporate Influencer ihre ganz persönlichen Kommunikationsstrategien erarbeiten und weiterentwickeln. In diesem Beitrag zeige ich ausführlich, worauf es dabei ankommt.
Promptkompetenz vermitteln – aber richtig
„Garbage in – Garbage out“ (GiGo): Dieses traditionelle Prinzip aus der Informatik gilt auch im KI-Bereich. KI-Tools funktionieren nur so gut wie der Input, den man ihnen gibt. Promptkompetenz, also die Fähigkeit, gezielt mit KI zu interagieren, stellt daher eine der Schlüsselqualifikationen für Corporate Influencer dar, die solche Tools einsetzen wollen.
Zwar sind soziale Netzwerke wie LinkedIn voll mit detailliert formulierten Prompts zum copy-pasten. Doch reines Kopieren funktioniert nicht, wenn es nicht durch eigenes Wissen und Ausprobieren gedeckt ist.
Promptkompetenz ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss trainiert werden, am besten anhand konkreter Beispiele aus dem Unternehmensalltag. Dazu reichen gelegentliche Workshops und einmalige Schulungen nicht aus. Auch dies gilt es, den Teilnehmenden zu vermitteln, damit sie ein realistisches Bild davon gewinnen, wie viel Aufwand das tatsächlich für sie bedeutet.
Das können Sie tun:
- Entwickeln Sie Trainingsmodule, die konkrete Anwendungsfälle aus dem Unternehmenskontext aufgreifen.
- Integrieren Sie Feedbackmechanismen, die aufzeigen, wie Prompts verbessert werden können – und arbeiten Sie gemeinsam im Programm daran.
- Zeigen Sie auf, wie man KI-Tools so bedient, dass sie unterstützen, statt Mehraufwand zu erzeugen oder „Garbage“ zu generieren.
Hilfreiche Tools sinnvoll einbinden
Nicht jede KI-Anwendung basiert auf großen Sprachmodellen wie ChatGPT; oft sind kleinere, spezialisierte Tools effektiver für spezifische Aufgaben. Sie optimieren Sprache, prüfen Rechtschreibung oder verfeinern die Tonalität – genau dort, wo Corporate Influencer gezielte Unterstützung benötigen. Wichtig ist, dass Programme diese Tools nicht nur empfehlen, sondern aktiv einführen und dabei unterschiedliche Erfahrungsstände sowie Medienzugänge berücksichtigen. Mit diesen spezialisierten KI-Tools können Corporate Influencer ihre Inhalte effizienter gestalten und gleichzeitig ihre Authentizität bewahren.
Beispiele:
- DeepL Write: Unterstützt stilistische und sprachliche Glättung.
- Grammarly oder LanguageTool: Prüft Rechtschreibung und Grammatik.
- Notion AI: Hilft bei der Ideensammlung und Strukturierung.
Bilder mit KI generieren KI?
Gerade auf LinkedIn dominieren KI-generierte Schmuckbilder längst die Timelines. Gemäß der Überzeugung, dass Text-Bild-Formate im Algorithmus besser performen als reine Textpostings, versehen viele User ihre Beiträge mit mehr oder weniger gekonnt geprompteten KI-Bildern. Doch abgesehen davon, dass auf diese Weise sehr viele überflüssige Daten ohne eigene Aussage das Netz fluten: Gerade Corporate Influencer sind ja keine Sendeanstalten für redaktionelle Inhalte, sondern sie wollen echte Einblicke liefern. Gerade wenn diejenigen nicht einmal selbst im Bereich der Kommunikation arbeiten, wirken die KI-Bilder dann aufgesetzt und wenig echt.
Allerdings haben die Teilnehmenden es dann auch verdient, dass man ihnen im Programm-Rahmen bei der Ideenfindung und Umsetzung hilft. Ein Foto-Workshop sollte daher ebenfalls zum Pflichtteil jedes Corporate-Influencer-Programms gehören.
Ein Sonderfall sind solche Trends oder Memes, die durch die sozialen Netzwerke gehen, wie etwa das eigene Bild als Manga oder Actionfigur darzustellen. Dies weckt den Spieltrieb, und dementsprechend viele Menschen springen begeistert auf. Auf keinen Fall wäre es sinnvoll, Spielfreude zu bremsen. Aber auch hier hilft es, bei der Reflexion zu unterstützen und Entscheidungshilfen dafür zu liefern, was sinnvoll ist und was nicht.
Das können Sie tun:
- Entwickeln Sie Empfehlungen für Bildverwendung.
- Bieten Sie Workshops zur Entwicklung von visuellen Inhalten an.
- Entwickeln Sie gemeinsam im Programm Ideen für die authentische persönliche Darstellung.
Automatisierte Interaktionen: Nein danke!
Manche Tools bieten an, Kommentare automatisch zu generieren, Antworten vorzuformulieren oder gar Interaktionen vollständig zu übernehmen. Das ist nicht nur nicht sinnvoll, es kann sogar gefährlich sein. Denn solche Interaktionen wirken unauthentisch, oft sogar unhöflich oder belanglos. Corporate Influencer stehen für echten Dialog. Der lässt sich nicht automatisieren.
Hinzu kommt: Auf Plattformen wie LinkedIn sind automatisierte Interaktionen durch externe Tools nicht nur unerwünscht. Sie verstoßen gegen die Nutzungsbedingungen. Wer automatisierte Kommentare, Likes oder Nachrichten über externe Programme absetzt, riskiert die Deaktivierung des Accounts. Und ein sorgfältig aufgebauter Account stellt ja einen erheblichen Wert dar. Der Verlust ist schmerzlich und buchstäblich teuer.
Aber auch die KI-generierten Kommentare, die LinkedIn selbst vorschlägt, sind in den meisten Fällen zu allgemein und wenig treffend. Es geht ja, wie gesagt, um persönliche Interaktion.
Das können Sie tun:
- Sensibilisieren Sie für die Risiken von Automatisierungstools.
- Schulen Sie auch zu rechtlichen Aspekten und Nutzungsbedingungen.
- Unterstützen Sie die Einzelnen dabei für sich zu entwickeln, wie sie persönlich, glaubwürdig und regelkonform interagieren.
KI im Programm-Management nutzen
Nicht nur die Teilnehmenden profitieren von KI, sondern auch die Organisation selbst. Programm-Verantwortliche können KI-Tools beispielsweise nutzen, um Inhalte zu strukturieren, Feedback auszuwerten oder Lernpfade individuell anzupassen. Das spart Zeit und verbessert die Qualität.
Wichtig ist auch hier: KI ersetzt nicht die persönliche Begleitung, sie ergänzt sie. Sie darf nicht zur Massenabfertigung führen, sondern sollte individualisierte Angebote ermöglichen.
Aber: Niemand kann heute glaubwürdig vertreten, man könne in der Kommunikation ebenso wie im Projektmanagement auf den Einsatz von KI ganz verzichten. Das ist eine Überzeugung von gestern, die keinen Bestand mehr hat.
Anwendungsbeispiele:
- Feedback aus Workshops oder Umfragen automatisch strukturieren lassen
- Transkripte von Video- oder Sprechtrainings generieren
- Inhalte für Trainingsmodule gezielt anpassen – je nach Erfahrungsstand
- Vorschläge für Redaktionspläne und Themenideen entwerfen
- …
Fazit
Die Frage ist nicht mehr, ob KI in Corporate-Influencer-Programmen eine Rolle spielt. Sie ist längst da. Die Aufgabe der Programm-Verantwortlichen besteht darin, den Wandel aktiv zu gestalten. Dazu gehört: Orientierung geben, Kompetenzen aufbauen, Missverständnisse abbauen – und klare Grenzen aufzeigen, wo Echtheit, Vertrauen und Beziehungskommunikation auf dem Spiel stehen.
Aber das bedeutet keinesfalls, dass Corporate Influencer nicht auch genauso gut weiterhin ihre Beiträge selbst konzipieren und schreiben sollten. Für viele von ihnen wird dies der Normalfall bleiben.
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Artikelbild generiert mit ChatGPT
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