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Social CEO in unruhigen Zeiten: Wie politisch muss und darf ich sein?

rednerpult und mikrofon vor einem konferenztisch, farben: orange, grau, schwarz, weiß.

Darf eine Vorständin oder ein Geschäftsführer in politisch unruhigen Zeiten schweigen? Gibt es umgekehrt eine Verpflichtung, sich für bestimmte Anliegen zu zeigen und zu engagieren? Gerade in den vergangenen Wochen waren die Rufe nicht zu überhören: Zu wenige CEOs und Vorstände äußerten sich eindeutig politisch, zu wenige bezögen Stellung. Es sei die Verpflichtung solcher exponierten Persönlichkeiten, Stellung zu beziehen. Gibt es diese? Wie gehen Führungskräfte damit um?

Zunächst einmal: Niemand kann gezwungen oder auch nur moralisch unter Druck gesetzt werden, sich in irgendeiner Weise zu äußern. Andererseits können sich besonders einflussreiche Meinungsbildner auch nicht einfach damit herausreden, sie seien halt privat und unpolitisch unterwegs. Top-Managerinnen und andere Führungskräfte sind immer auch Vorbilder für Werte, innerhalb der Unternehmenskultur, aber auch darüber hinaus. Zumindest gesellschaftspolitisch haben sie eine Stimme, ob sie wollen oder nicht.

Zuallererst: Vorbild in Sachen Werte

CEOs sind vor allem oberste Diener des Unternehmens. Sie sind verantwortlich für die Führung der Organisation, die Umsetzung der Strategie und vertreten deren Interessen sowie die Interessen der Shareholder. Was sie tun und sagen, wirkt sich auf die Marke, auf den Unternehmenserfolg aus. Die Wirkung selbst beiläufiger Äußerungen steigt mit ihrer Reichweite. Damit steigt auch die Verantwortung, auch und gerade der Belegschaft gegenüber. Dies erfordert die Bereitschaft, im öffentlichen Auftreten die Belange des Unternehmens über die eigenen zu stellen. Werteorientierung und Führungskultur sind entscheidend für den Unternehmenserfolg, weil sie nicht nur darüber entscheiden, wer sich bewirbt, sondern wie bestehende Mitarbeitende sich engagieren.

Kundinnen und Kunden sowie viele weitere Stakeholder wollen heute mehr über die Unternehmen wissen, mit denen sie interagieren. CEOs werden nicht nur an ihren Inhalten gemessen, sondern auch daran, wie sie kommunizieren; mit welcher sozialen und menschlichen Kompetenz sie interagieren; für welche Werte sie stehen; ob das, was sie behaupten zu vertreten, tatsächlich mit den Unternehmenswerten übereinstimmt. Daher können und sollten sich Social CEOs nicht nur Gedanken über eine möglichst positive Außenwirkung machen.

Ein opportunistisches Sich-Verbiegen oder Sich-selbst-den-Mund-Verbieten, um jeden Schaden abzuwenden, das passt nicht zu einer Führungskraft im wahren Sinne des Wortes.

Zum Begriff „Social CEO“

Vom Titel zum Genre: Heute steht der Begriff „Social CEO“ nicht mehr allein für das, was in der Wirtschaftssprache strenggenommen als CEO (Chief Executive Officer) bezeichnet wird. Der Begriff hat sich zur übergeordneten, prägnanten Bezeichnung für alle Top-Manager:innen und Führungskräfte eingebürgert, die sich in digitalen Medien sichtbar machen und persönlich engagieren. So ist er auch in diesem Beitrag zu verstehen.

Verantwortung braucht Unterstützung

Aus den Unternehmenswerten und den persönlichen Werten lassen sich logischerweise auch (gesellschafts-)politische Positionen ableiten. CEOs können nicht nicht kommunizieren. Wenn sie schweigen, wo eindeutig ein klares Einstehen für Werte gefragt ist, dann ist das auch eine Aussage. Das bedeutet nicht automatisch, dass sich jede Führungskraft tagespolitisch äußern müsste. Aber es bedeutet zumindest, dass sie sich nicht einfach heraushalten können, wo Haltung gefragt ist.

Doch jemand, der oder die mit persönlichen Profilen in sozialen Netzwerken auftritt, macht sich immer auch persönlich angreifbar im direkten, zumindest digitalen Kontakt. Daher gilt es, sehr sorgfältig die eigene Position zu reflektieren; nicht zu spontan und rein taktisch zu handeln, sondern reflektiert in einem größeren strategischen Zusammenhang. Dazu gehört auch die Abstimmung im Unternehmen selbst: Ein oder eine CEO ist immer nahe an der Gesamtkommunikation, und die persönliche Strategie sollte eng damit verknüpft sein. Denn die Betreffenden werden als offizielle Unternehmensvertreter wahrgenommen; was sie sagen, als Unternehmensmeinung wahrgenommen.

Alleingänge sind zu vermeiden. Das bedeutet auch: Unternehmensleitungen, Vorstände, C-Level sollten gemeinsame Leitplanken erarbeiten.

Zuerst die Strategie, dann das Posten

Umfassende Unterstützung muss also gegeben sein, dazu gehört eine enge Anbindung an die Gesamtkommunikation inklusive der vorbeugenden Krisenkommunikation. Aus der Kommunikationsabteilung sollte mindestens eine Sparringspartnerin oder ein Sparringspartner zur Verfügung stehen.

Erst wenn die persönliche Unternehmensstrategie sorgfältig erarbeitet ist, wenn die Werte klar sind, wenn die Betreffenden sich über die angestrebte eigene Autorität – man könnte auch sagen: Thought Leadership – in Sachen Werte und Themen klar sind und wenn die entsprechenden Strukturen in der Unterstützung und Begleitung gesichert sind: Dann wird klar, wie die betreffende Person sich äußert, wie sie sich in ihrem Umfeld und in größeren Kontexten positioniert und wie sie mit Reaktionen auf ihre Äußerungen umgeht.

Intern vor extern

Dabei ist immer und zuallererst an die interne Wirkung zu denken: Die eigenen Beschäftigten sind die ersten und wichtigsten Stakeholder. Und Führungskräfte sollten sich immer klarmachen, dass sie als Vorbilder wahrgenommen werden. Beziehen sie politisch Stellung, werden weitere Menschen aus dem Unternehmen nachziehen. Und nicht alle werden die politische Meinung und die Ansichten der Führungsebene teilen. Das muss eine Organisation im Rahmen der demokratischen Meinungsfreiheit aushalten. Aber sie muss auch Grenzen setzen, wo Rechte verletzt oder sogar Menschen diskrimiert werden.

Das ist ein schmaler Grat. Aber es ist etwas, über das heute in jedem Unternehmen nachgedacht werden muss. In jedem! Und zwar ganz gleich, ob es bereits ein Corporate-Influencer-Programm gibt oder nicht. Denn unabhängig davon sind Beschäftigte (nicht nur) in digitalen Medien sichtbar und äußern sich.

Auch ein Thought Leader ist und bleibt Mensch

Das eigentlich Entscheidende besteht dabei darin, sich bei aller strategischen Ausrichtung die Spontaneität und vor allem die Echtheit zu bewahren – denn ein Social CEO ist mit seinen oder ihren Accounts kein Sprachrohr für irgendwen oder irgendetwas. Sie oder er spricht für das Unternehmen, aber die persönlichen Profile sind mehr als nur ein weiterer Unternehmenskanal.

Auch Führungskräfte sind Menschen, die mit anderen Menschen interagieren und für etwas einstehen, von dem sie überzeugt sind.

Dieser Beitrag basiert auf mehreren Kapiteln aus dem Buch „Social CEO“. Hier gibt es eine Podcast-Folge zum Thema: „Wie politisch müssen Social CEOs sein?“

Das Buch: Social CEO. Strategien für Führungskräfte als Corporate Influencer

Buchcover Social CEOGroße Sichtbarkeit bringt große Verantwortung mit sich. Das Buch erklärt, was es bedeutet, „Social CEO“ zu sein und wie CEOs als Markenbotschafter langfristig und nachhaltig aufgebaut werden – und damit als prominenter Corporate Influencer im Rampenlicht zu stehen. Es bietet praxisorientiertes Wissen und eine Methodik für den Reputationsaufbau und die (nicht nur) digitale Kommunikation exponierter Persönlichkeiten.  Mit detaillierten Plänen, hilfreichen Tools und Checklisten. → Mehr Informationen und kostenlose Angebote rund ums Buch.

Hoffmann, Kerstin: Social CEO. Strategien für Führungskräfte als Corporate Influencer. Haufe 2024. ca. 220 Seiten. ISBN 978-3-648-17550-7

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Illustration: DALL·E

Dr. Kerstin Hoffmann