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Warum das Content-Marketing nicht herausreißt, was die Werbung noch nie gekonnt hat

Goldene Zeiten sind angebrochen, nun da auch deutsche Unternehmen in großer Zahl das Content-Marketing für sich entdeckt haben: Endlich gibt es eine Methode, die weniger kostet als klassische Werbung, die aber zugleich die neuen Kunden wie von selbst in den Verkaufstrichter spült. Endlich wird sich der Vertriebsaufwand wieder verringern. Inbound-Marketing wie von selbst löst die immer mühsamer gewordenen Marketing-Aktivitäten ab. Was man dazu braucht? Ein Corporate Blog, einen Twitter-Account und natürlich eine Facebook-Seite. Alles andere kommt dann praktisch von selbst nach. – Stop!

Während es ja nun wirklich an Anleitungen, Büchern, Vorträgen, Webinaren und Beratungen zum Thema erfolgreiches Content-Marketing nicht mangelt, muss ich konstatieren: Ja, es ist erfreulich, dass nun ein großer Teil der deutschen Firmen begriffen hat, dass sie sich in digitalen Zeiten anders aufstellen muss.

Aber: Leider stellt sich damit bei sehr vielen Entscheiderinnen und Entscheidern noch lange nicht die Erkenntnis ein, dass „anders aufstellen“ eben auch wirklich anders aufstellen bedeutet; und keinesfalls, einfach das Gleiche, was schon zuvor nicht mehr so recht funktioniert hat, nun in anderen Medien fortzusetzen. Daher ist es an der Zeit, hier einmal einiges klarzustellen.

(Es gibt übrigens natürlich nach wie vor Werbung, die funktioniert. Wenn sie gut gemacht ist, zeitgemäßen Regeln folgt und an der richtigen Stelle platziert wird. Aber darum soll es hier nicht gehen.)

Belanglose Marginalien und vorgetäuschtes Storytelling

Wer beispielsweise auf Facebook gezielt nach Seiten deutscher Mittelständler aus dem B2B-Bereich sucht, wird zunächst erfreut feststellen, wie viele verschiedene Firmen inzwischen vertreten sind: vom Schraubenhersteller bis zum Beratungsunternehmen. Doch wenn man sich dann einmal durch die Pinnwände eben dieser Seiten scrollt, stellt sich große Ernüchterung ein. Langweilige Neuigkeiten, die niemand anderen interessieren als den Anbieter. Werbliche Aussagen mit kaum verhohlener direkter Verkaufsabsicht. Ebenso beliebige wie belanglose Marginalien aus dem Büroalltag, die (so vermute ich zumindest) zwischen all der Reklame so etwas wie Storytelling vortäuschen sollen.

Wenn es zuvor schwierig war, eine umfassende Produktdarstellung ansprechend umzusetzen, dann wird das Thema nicht spannender, wenn man es statt dessen eins zu eins auf eine Facebook-Seite verlagert. Oder, noch schlimmer, langweilig und nüchtern im (so genannten, weil mit Blog-Software gebauten) Unternehmensblog beschreibt und dann auf Facebook nur verlinkt.

Auch scheinbar langweilige Produkte tragen Spannung und Geschichten in sich – aber nicht SO!

Keine Geschichte entwickelt sich von selbst. Was in der Werbung nicht funktioniert, das reißt das Content-Marketing nicht heraus. Mehr noch: Was Werbung noch erreichen kann, hat im Content-Marketing erst recht nichts zu suchen.

Erinnern wir uns ganz kurz, was Content-Marketing eigentlich bedeutet. Es bedeutet, rund um eine Firma, um Produkte herum spannende, interessante, nützliche oder auch unterhaltsame Inhalte zu entwickeln. So überzeugt ein Unternehmen die entsprechenden Gesprächspartner von der eigenen fachlichen Eignung, baut Marke und Sichtbarkeit auf und verankert sich positiv in den Köpfen der Stakeholder. Dazu braucht man eine Contentstrategie, die sich in die Gesamtkommunikation einbettet, und man muss die Inhalte, das Fachwissen, die Geschichten im eigenen Unternehmen entdecken und entwickeln.

Zudem braucht man Gesichter, Markenbotschafter, die glaubhaft die Firma nach außen vertreten und die es über ihre persönliche Vernetzung erreichen, dass Beziehungen auch zu den virtuellen Kanälen entstehen und wachsen.

Weiß (fast) jeder, machen aber die relativ Wenige tatsächlich richtig gut.

Warum machen das so wenige richtig gut?

Warum ist das so? Es fehlt an Budget, es fehlt an personellen Ressourcen. Es fehlt noch nicht einmal an der Einsicht, dass etwas geschehen muss. Aber die Sichtweise auf das Content-Marketing ist oft auf eigenartige Weise verzerrt. Denn oft fehlt einfach die Außensicht, um die Frage zu beantworten: Wieso sollte jemand sich das anschauen und sich näher dafür interessieren?

Der Transfer fällt offenbar schwerer als oft gedacht, zumal dann, wenn der Perspektivwechsel noch nicht eingeübt ist. Wie macht man es, bei allem theoretischen Wissen, denn nun für das eigene Unternehmen praktisch richtig? Das Bewusstsein dafür, dass Content-Marketing eben eine ganz eigene, für Viele noch neue Disziplin mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten ist, muss sich erst durchsetzen.

Jegliche gleichsam automatisiert auf die digitalen Kanäle übertragene Sender-Empfänger-Haltung kann nur schiefgehen. Wer glaubt, dass, weil Werbung auf klassischen Wegen offenbar niemanden mehr interessiert, dieselben Inhalte unverändert in “ Kanälen plötzlich wieder spielen, hat verloren. Dazu muss man auch die eigenen Paradigmen von Kennzahlen, direktem Return on Investment sowie den Glauben an maximalen Gewinn bei minimaler persönlicher Verfügbarkeit aufgeben.

Wie macht man es denn nun besser?

Dazu braucht es fast immer zumindest initial jemanden, der von außen daraufschaut und beim Perspektivwechsel unterstützt. Die eine Mitarbeiterin, die für ein paar Tage zum Social-Media-Lehrgang geschickt wird und danach aber auch nicht richtig etwas verändern kann, erfüllt nicht mehr als eine Feigenblatt-Funktion. Im Zweifel ist sie hinterher nur frustrierter als zuvor, weil sie nichts von dem Gelernten und erstmals praktisch Eingeübten auch tatsächlich anwenden kann. Sie braucht Rückhalt im Unternehmen und im Zweifel zumindest für die Übergangszeit jemanden an ihrer Seite, der den Paradigmenwechsel im Unternehmen begleitet und immer wieder ein Fremdbild liefert.

Die gute Nachricht: Wer jedoch den eigenen Bezugsgruppen aufmerksam zuhört und sich als Person auf echte Gespräche einlässt, kann sich sehr viel Außensicht und Fremdbild von diesen holen. Ein kritischer Beitrag auf der eigenen Facebookseite ist nämlich in den meisten Fällen keineswegs der Auftakt zu einem das Unternehmen wirtschaftlich gefährdenden Shitstorm. Er ist vielmehr in vielen Fällen eine allzu seltene Erscheinung auf einer ansonsten eher selten überhaupt wahrgenommenen Social-Media-Präsenz. Daraus kann man etwas machen. Womöglich eröffnen sich so neue Perspektiven, aus denen ein echter Dialog entstehen kann.

Dr. Kerstin Hoffmann